© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/02 17. Mai 2002

 
Dramatische Folgen sind zu erwarten
Gewässerschutz: Der Ausbau von Elbe und Saale ist beschlossene Sache / Kritik von Umweltschützern
Adrian Gerloff / Jörg Fischer

Im März, einen Monat vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt startete die Bürgerinitiative "Pro Elbe" einen Aufruf gegen den weiteren Ausbau des 1.165 Kilometer langen Flusses. Bund und Länder wurden darin zu einem sofortigen Stopp der Bauarbeiten aufgefordert: die Flußandschaft Elbe müsse als Natur- und Kulturerbe von europäischem Rang erhalten bleiben. Die Schiffahrt solle ökologisch verträglich und wirtschaftlich sinnvoll sein.

Mehr als 100 zumeist mitteldeutsche Künstler, Schriftsteller und Publizisten schlossen sich mit ihrer Unterschrift dem Protest an. Der Wittenberger Pfarrer Friedrich Schorlemmer (SPD) warnte vor den "dramatischen Folgen einer weiteren Steinigung der Ufer". Die Bauvorhaben führten zu einer Vertiefung des Flußbettes und zu einem Austrocknen der Auen. Die an Rhein, Main und Mosel gemachten Fehler dürften an der Elbe nicht wiederholt werden.

Doch mit dem Sieg von CDU und FDP bei der Landtagswahl am 21. April in Sachsen-Anhalt ist der Ausbau des natürlichsten Flusses Europas in dieser Größe beschlossene Sache. Für die neue Regierung Böhmer ist der Ausbau der Elbe eine wichtige Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Aufschwung in dem Bundesland. Nur die Grünen und die ÖDP sprachen sich konsequent gegen einen Ausbau der Elbe aus - und scheiterten bei der Wahl. Die PDS forderte ein "Moratorium aller Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen" und landete in der Opposition. Einem Ausbau steht somit politisch nichts mehr im Wege, da auch die rot-grüne Bundesregierung im Gegensatz zur "grünen Basis" den Elbeausbau will.

Schon im Bundesverkehrswegeplan von 1992 wurde der Ausbau von Elbe und Saale festgelegt: als Nummer 17 in den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit, um so das Zusammenwachsen Deutschlands zu erleichtern, bessere Standorte für Handel und Wirtschaft zu schaffen sowie die allgemeine Mobilität zu verbessern. Fließgewässer dieser Größenordnung sind Bundeswasserstraßen, deren Nutzung, Unterhaltung und Ausbau dem Bund obliegt. Nach Plänen von 1992 soll die Elbe verbreitert und die Fahrrinne für Schiffe tiefer geschaufelt werden. Außerdem sollen der Flußlauf begradigt und die Ufer befestigt werden.

Flußlauf begradigt, Ufer befestigt

Ziel des Ausbaus ist eine Verbesserung der Wasserführung, damit moderne Binnenschiffe mindestens die Hälfte des Jahres eine Abladetiefe von 2,50 Metern und ganzjährig bis zu 1,60 Metern nutzen können. Der Ausbau der Saale beschränkt sich überwiegend auf die letzten 25 Kilometer vor Mündung in die Elbe. Dort soll ein Durchstich und die schon vor dem Zweiten Weltkrieg geplante Staustufe bei Klein Rosenburg realisiert werden. Doch die Kosten der Ausbaumaßnahmen an beiden Flüssen wurden mit damals 720 Millionen Mark als viel zu niedrig angesetzt und die Lage der öffentlichen Haushalte hat sich seither noch verschlechtert.

Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) fordert "Gewässer als Bestandteil des Naturhaushaltes" zu bewirtschaften. Es unterscheidet dabei ganz deutlich zwischen Unterhaltungs- und Ausbaumaßnahmen. In der Vergangenheit wurden bauliche Eingriffe in die Elbe als Unterhaltungsmaßnahme erklärt, obwohl sie in ihren Auswirkungen für das Ökosystem einem Ausbau gleichzusetzen sind.

Beide Flüsse sind durch häufige, langanhaltende Niedrigwasserzeiten in den Sommermonaten gekennzeichnet, was eine Einschränkung der Binnenschifffahrt mit sich bringt. Der neue Eingriff würde die Fließdynamik des ganzen Flusses nachhaltig verändern, innerhalb eines Unesco-Biosphärenreservates liegen und weiterhin umliegende Landschafts- und Naturschutzgebiete zerstören. Die natürlichen Hochwasserüberflutungsgebiete werden durch die Absenkung des Wasserspiegels dramatisch eingeschränkt, so daß Auenwälder und Feuchtgebiete existenziell bedroht sind.

Gerade die Auenwälder an Elbe und Saale sind in Größe und Zusammensetzung einzigartig in Europa: sie stehen in der Liste der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU, sind also unbedingt schützenswert und erhaltungspflichtig. Die Auenwälder und Feuchtgebiete sind auf die periodische Überflutung im Frühjahr angewiesen und gelten durch ihre Artenvielfalt nicht nur ökologisch als besonders wertvoll - das Land Sachsen-Anhalt sieht sich immer mehr auch als Tourismusregion.

In Magdeburg soll der Domfelsen, der die Fahrrinne so verengt, daß sie nur einspurig passierbar ist, abgetragen werden. Dabei vermuten Experten, daß die Statik des alten Domes, dessen Fundament auf dem gleichen Felsen steht, leiden könnte. Nach dem Ausbau der drei Elbabschnitte würde eine durchgehende Abladetiefe von 1,40 Metern an mindesten 345 Tagen und 2,50 Metern an 140 bis 200 Tagen im Jahr gewährleistet. Bei einer Abladetiefe von 1,40 Metern ist die zu transportierende Gütermenge allerdings so gering, daß nicht einmal die Personal- und Transportkosten gedeckt werden.

Statik des Magdeburger Doms gerät in Gefahr

Andererseits werden Transporte mittels Binnenschiff nicht nur vom Umweltbundesamt als ökologisch sinnvoll - da energiesparend - gepriesen. Doch die Industrieproduktion entlang der beiden Flüsse ist seit 1990 dramatisch zurückgegangen. Die vorhandenen Kapazitäten der Bahn reichen derzeit aus. Hauptnutzer der Elbe sind momentan Tschechische Reedereien, die mit niedrigen Preisen erfolgreich sind.

Ist die Berufung auf das Reichswasserstraßengesetz, in dem der Ausbau schon 1936 geplant wurde, heute noch zeitgemäß? Mit einem Bruchteil der notwendigen Investitionssumme könnten bereits vorhandene Schienenverkehrswege modernisiert und wettbewerbsfähig werden.


 
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