© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/02 17. Mai 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Falsche Ratschläge
Carl Gustaf Ströhm

Noch unlängst hat der Westen die Machtergreifung der So-zialisten in Albanien enthusiastisch begrüßt. Den gewendeten albanischen Ex-Kommunisten, die als Söhne und Enkel des stalinistischen Diktators Enver Hodscha bezeichnet wurden, traute man zu, das Armenhaus Europas in Ordnung zu bringen. Vorher hatte der Westen die albanischen Konservativen und Antikommunisten wie eine heiße Kartoffel fallen lassen, allen voran den ersten nichtkommunistischen Präsidenten Sali Berisha, dem man vorwarf, nichts gegen Korruption, Clanwesen, Drogenhandel und mafiöse Umtriebe unternommen zu haben.

Jetzt allerdings stellt sich heraus, daß die albanischen Wendekommunisten mit den Problemen genauso wenig fertigwerden wie ihre konservativ-nationalen Vorgänger. Bei einem Wiener Treffen der "Freunde Albaniens" - es handelt sich um 20 Staaten, die in der Hilfe für das Land besonders engagiert sind - wurde der Linksregierung in Tirana eine gehörige Kopfwäsche verpaßt. Es sei alarmierend, so hieß es im Abschlußdokument der "Freunde", daß in Albanien das organisierte Verbrechen immer noch schwerwiegende Probleme verursache. Ferner wurden von der Regierung Albaniens effektivere Maßnahmen gegen Rauschgifthandel, Menschenschmuggel und Geldwäsche eingefordert. Albanien wurde außerdem "Schwäche in der Verwirklichung des Rechtsstaates" und mangelnde Effizienz des Justizwesens vorgeworfen.

Angesichts solcher blauäugiger Formulierungen fragt man sich allerdings, auf welchem Planeten die wohlmeinenden "Freunde Albaniens" eigentlich leben. Ähnlich naiv äußerte sich die EU. Damit Albanien "weitere Fortschritte im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozeß" machen könne, forderte Brüssel, müsse rasch ein "stabiles politisches Umfeld mit voll funktionierenden demokratischen Institutionen geschaffen werden. Die Regierung müsse sich auf die Verwirklichung dringend erforderlicher Reformen konzentrieren.

Ja, woher nehmen und nicht stehlen? Ein stabiles Umfeld läßt sich nicht par ordre de Mufti aus Brüssel dekretieren, solange dafür die sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen fehlen. Und ob die den Albanern oktroyierte oder aufgeschwatzte blindwütige "Reformitis" wirklich der Weisheit letzter Schluß ist, kann man bezweifeln. Denn wo eine Re-Form greifen soll, muß überhaupt erst mal eine "Form" da sein - und in Albanien hat der Hodscha-Kommunismus alle "Formen" von Staat, Gesellschaft, Nation und sogar Privatleben so gründlich zerstört, daß man ganz behutsam an den Wurzeln mit einer Erneuerung beginnen müßte.

Plötzlich argumentiert die albanische Linksregierung gegenüber dem Westen ganz ähnlich wie der gestürzte "rechte" Präsident Berisha. Die "Freunde Albaniens" seien in Wirklichkeit "Feinde Albaniens", statt Hilfe zu gewähren, stellten sie dem Land immer neue Bedingungen. Der frühere albanische OSZE-Botschafter, Zef Mazi, erklärt, Albanien werde heute von der Staatsgemeinschaft ähnlich diskriminierend behandelt wie 1913, als die damaligen Großmächte Albanien zu ihrem Militärprotektorat machten und das Kosovo an Serbien abtraten - ohne die Albaner zu fragen. Albaniens Außenminister Arta Dade verließ tief gekränkt vorzeitig das Wiener Treffen der "Freunde" - mitsamt der ganzen albanischen Delegation. Es heißt, sie wolle die Beziehungen zur OSZE einfrieren. Wie sagt doch der Dichter? "Ihr laßt den Armen schuldig werden - dann überlaßt ihr ihn der Pein..."


 
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