© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/02 17. Mai 2002

 
Noch kein Rechtsruck zu spüren
Spanien: Ministerpräsident Aznar hat es bislang geschickt verstanden, das Entstehen einer erfolgreichen rechten Protestpartei zu verhindern
Carlos E. Izquierda

Die französischen Präsidentschaftswahlen haben einem deutlich vor Augen geführt, daß die politische Rechte in Europa kontinuierlich stärker wird. In Portugal ging die rechtskonservative Partido Popular von Paulo Portas gestärkt aus den Parlamentswahlen hervor, die Alleanza Nationale und die Lega Nord sind in Italien nicht mehr wegzudenken; selbst in den liberalen Benelux-Ländern können inzwischen rechtspopulistische Gruppen stark zulegen - selbst wenn nach dem Mord an Pim Fortuyn jetzt wohl mit einem Rückschlag zu rechnen ist. Die Tabus, die Fortuyn brach, kann die sozialistische Internationale nicht wieder aufbauen.

Auffallend ist jedoch, daß Spanien diesen Trend bislang noch nicht mitmacht. Dies ist besonders erstaunlich, da es vor einem Vierteljahrhundert noch vom autoritären Regime Francisco Francos regiert wurde und sich aus dieser Zeit keine politische Kraft in die Gegenwart retten konnte. In Deutschland ist dies der PDS auf dem linken Spektrum hingegen problemlos gelungen.

Nach dem Tode Francos im Jahre 1975 konnte zunächst der eloquente Blas Piñar mit seiner Partei "Fuerza Nueva" (Neue Kraft) bis Anfang der achtziger Jahre noch Erfolge erzielen. Er war von 1979 bis 1982 Abgeordneter, seine Partei konnte zehn Prozent der Stimmen auf sich vereinen, doch war dieser Zusammenschluß von Monarchisten, Antikommunisten, strenggläubigen Katholiken und Nationalrevolutionären zu heterogen und endete schließlich in der Auflösung. Der Madrider Notar scheiterte mit seiner "Front" 1994 definitiv. Die "Democracia Nacional" versucht zwar einen Neuanfang, ist bisher aber praktisch unbekannt.

Ricardo Sáenz de Ynestrillas, Sohn eines von der baskischen ETA ermordeten Offiziers, blieb dem Ruf seiner Schlägertruppe "Alianza para la Unidad Nacional" treu, indem er zum Kriminellen im Drogenmilieu wurde. An der tristen jährlichen Feier zum Todestag von Franco am 20. November bleiben Nostalgiker und Skinheads jeweils unter sich.

Einen spanischen "Front National" gibt es nicht

Heute regiert in Spanien die Volkspartei (Partido Popular/PP) unter ihrem Premier José María Aznar mit einer satten absoluten Mehrheit. Sieht man von den bürgerlichen Regionalparteien wie etwa der katalanischen Partei Konvergenz und Einheit (CiU), der gemäßigten Baskischen Nationalpartei und der konservativen Koalition der Kanarischen Inseln einmal ab, wird die nicht-linke Wählerschaft in Spanien vollkommen von der PP absorbiert. Es gibt zwar zahlreiche rechte bis rechtsextreme Gruppen und Parteien, wie z.B. die Democracia Nacional oder die Spanische Phalanx (Falange Española, FE JONS), jedoch fallen diese nur durch Flugblätter, kleine Demonstrationen und unzählige Plakataktionen auf. Nennenswerte Stimmenzahlen gewinnen sie bei Wahlen nicht.

Dies liegt mitunter daran, daß die Volkspartei von ehemaligen Franco Ministern gegründet wurde und auch auf ihrem Weg zur moderaten Regierungspartei ihre Ursprünge nie verleugnete. Die nach wie vor noch zahlreichen Sympathisanten des Caudillo sind ihr dadurch nie verloren gegangen. Aznar treibt seine Partei jedoch immer weiter in die politische Mitte und vernachlässigt dadurch zunehmend seine konservative Klientel. Anstatt verschiedene altgediente Haudegen zu Ministern zu ernennen, schmücken inzwischen sogar zwei ehemalige Kommunisten sein Kabinett - bei CDU (noch) undenkbar.

Seine Diktion unterscheidet sich mittlerweile auch nicht mehr von der anderer christdemokratischer Parteiführer. Er meidet klassische rechte Themen wie Immigration und die Innere Sicherheit und spricht lieber von Toleranz, Europa und weltweiter Terrorbekämpfung an der Seite der USA. Erstaunlich ist auch, daß er mit dem sozialistischen Oppositionsführer Rodriguez Zapatero trotz absoluter Mehrheit einen regelrechten Schmusekurs fährt.

Sollte Aznar wie von ihm oft angekündigt nicht wieder kandidieren und sein Nachfolger mit der weichen moderaten Politik fortfahren, wäre das Entstehen einer spanischen "Front National" oder "Lega Nord" durchaus möglich. Mit zunehmendem Wohlstand werden immer mehr illegale Einwanderer (speziell aus Afrika) angelockt - mit den entsprechenden Folgen. So mußte Aznar kürzlich selbst zugeben, daß 89 Prozent der im Land Verhafteten Ausländer seien. Doch in den südspanischen Spannungsgebieten mit vielen illegalen Einwanderern bilden sich mancherorts schon Bürgerallianzen für die Gemeindewahlen von 2003.

Viele Spanier definieren sich selbst als politisch rechtsstehend. Der Begriff "derecha" (rechts) ist in Spanien nicht negativ belegt. Auch schämen sich die Spanier nicht für ihre Geschichte: Zahlreiche Straßen tragen in Spanien weiterhin unverändert die Namen der nationalen spanischen Bürgerkriegsgenerale. Im Valle de los Caídos (Tal der Gefallenen) befinden sich auf den Gräbern von Francisco Franco und José Antonio Primo de Rivera (dem Gründer der spanischen Falange) stets frische Blumen. Auch dem Todestag des Generalissimo wird im Herzen von Madrid zu jedem 20. November mit großer Anteilnahme gedacht.

Spanien hat jedoch zur Zeit weder einen Jean-Marie Le Pen noch einen Pim Fortuyn. Einige sahen bereits den etwas großmäuligen, populistischen Bürgermeister von Marbella und Präsident des Fußballclubs Atlético Madrid (und zuvor Alcaldía de Marbella), Jesús Gil, mit seiner nach ihm benannten Partei (GIL) als mögliche rechte Alternative. Und obwohl er Marbella zur saubersten und sichersten Küstenstadt machte, können sich viele nicht mit ihm anfreunden, da er unter anderem wegen Betrügereien und Veruntreuung von öffentlichen Geldern in Millionenhöhe verurteilt wurde und sein Amt inzwischen niederlegen mußte.

An Beispielen wie Le Pen, Haider, Bossi oder Fortuyn wird deutlich, wie wichtig eine charismatische Führungsperson für den Erfolg einer rechten Partei ist. Diese fehlt in Spanien - noch.


 
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