© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/02 10. Mai 2002

 
Kabale am Meer
Oper: Rossinis "Il Turco in Italia" in Zürich
Timo Fehrensen

Ist die Dame begehrt, funktionieren die Intrigen, das ist alter Opern-Witz. Daran haben sich die Komponisten und Librettisten über Jahrhunderte gehalten, so hat auch Gloacchino Rossini meistens das bewährte Strickmuster hervorgeholt. Daß dabei gewitzte, charmante Musik zum Vorschein kam, ist nicht zuletzt auch manch guter Vorlage zu verdanken. Zahlreiche Stoffe, die Rossini vertonte, sind heute vergessen. Darunter auch der Türke, der in Italien weilt und gleichsam als lebende Parodie auf zahlreiche "Türken-Opern" der damaligen Zeit sein amouröses Wesen treibt.

Der vielbeschäftigte Librettist Felice Romani hält sich an ein musikalisches Liebes-Parlando, das bereits im 18. Jahrhundert vertont wurde. Der Sellm ist auf Liebessuche am Mittelmeer. Dort trifft er die attraktive Florilla, die nicht nur über einen Ehemann, sondern auch über zahllose Verehrer verfügt. Sie verliebt sich in einen schmucken Orientalen (und dieser wiederum in sie). Das ist nun der charmanten Exotin und ehemaligen Haremsdame Zaida nicht recht, die schon seit Jahren den türkischen Herrscher liebt, der sie einst sogar aus Liebesnöten hat töten wollen. Und andererseits ist Florillas Ehemann ebensowenig begeistert, wie es die zahllosen Herren im Städtchen sein dürften, die wiederum hinter Florilla her sind.

Man sieht also, ist die Kabale erst mal angestoßen, sorgt ein italienischer Librettist immer noch für genügend Verwicklungen. Auf einem Maskenball kommt es schließlich zum völligen Gefühlschaos, aus dem die verkleideten Paare nur noch schwer herausfinden. Der auf der Bühne anwesende Dichter, der die Handlung stets als Conférencier der komischen Doppelbödigkeit interpretiert, sieht's mit Vergnügen. Theater auf dem Theater - und das noch als komischer Verwechslungsreigen - mehr kann es in einer zweieinhalbstündigen Opernkomödie nicht geben.

Merkwürdig, daß dieses Werk lange nicht gespielt worden ist. Vielen mag es vielleicht als ein Opern-Remake von Rossinis "Italienerin in Algier" erscheinen. Aber das ist nicht der Fall. Vielmehr hat der 22jährige Rossini hier eine höchst temperamentvolle Musik geschrieben, die über genug Motorik verfügt, die Handlung temporeich voranzustoßen. Auf vergnügliche Weise ist somit ein kleines Meisterwerk der sängerischen Exaltiertheiten entstanden. Cesare Lievi hat das Stück für Zürich inszeniert. Im ersten Akt, wenn die Liebesknäuel so richtig undurchdringlich erscheinen, wird mit viel Verve ans Werk gegangen.

Wenn im zweiten Akt dann manches langatmig erscheint, so auch deshalb, weil fröhlich ausgeführte Kabbeleien immer häufiger in Stehaktionen enden. Allzu statuarisch wird da im eigentlich recht handfesten Spiel gegen Ende zu Werke gegangen. Da wird denn manche Freude vorzeitig gebremst, gleichwohl bleibt die Komik erhalten. Und das nicht zuletzt wegen des Multitalents Tullio Pericoli. Der Karikaturist zahlreicher italienischer Zeitungen und versierte Entwerfer allzu menschlicher Cartoon-Individuen stellt hier aus. Eine Ausstellung zahlreicher fröhlich bunter Zeichnungen weit mehr als ein Bühnenbild ist es, was wir zu sehen bekommen. Was er hier präsentiert, ist ein überdimensionales Daumenkino mit einigen seiner Karikaturen, da biegen sich in einem kunterbunten Panoptikum gezeichnete Blumen, Früchte und witzige Petitessen in Form von karikierten Fröhlichkeits-Subjekten. Pericolis irrwitzige Kostüme tun ein übriges.

Da fühlen sich auch die Sänger wohl, das können sie auch, zumal Ruggero Raimondi als stimmvoluminöser, irrwitziger-komödiantischer Sellm. Paolo Rumetz ist der innig verzweifelte Gatte der Fiorilla, die Cecilia Bartoli in stets effektsicherer Manier gibt - dabei immer aufs Forte achtend. Lautstark übersingt sie gleichsam Orchester und Mitspieler, als gelte es CD-reif hier alles zu übertönen. Judith Schmid als vorübergehend verzweifelt verliebte Zaida läßt von sich mit klangschöner Stimme hören, Oliver Widmer gibt gut gelaunt den am Rande des Geschehens kommentierenden Dichter. Dirigent Welser-Möst zieht das Tempo merklich an.

Ein Rossini-Reigen von orchestraler Leichtigkeit auch dann, wenn auf der Bühne manche szenische Aktion nicht allzu schwungvoll anmutet. Eine sinnliche Vergnüglichkeit ist diese Aufführung gleichwohl.

Fototext: Fiorilla (Cecilia Bartoli) und Sellm (Ruggero Raimondi)

Die nächsten Aufführungen im Opernhaus Zürich, Falkenstr. 1, finden statt am 12. Mai, 20. und 27. Juni. Karten gibt es unter
Tel. 00 41 /1 / 2 68 66 66


 
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