© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/02 10. Mai 2002

 
Auch Delikates geht seinen Weg
Österreich: Bundespräsident Thomas Klestil wird zum zweiten Mal in einem Buch heftig kritisiert / Amtsautorität zu Grabe getragen
Gustaf Domberg

Die Mühlen der Wiener Justiz mahlen oft recht langsam: So wurde erst nach Wochen einer Klage des Bundespräsidenten gegen ein Buch teilweise stattgegeben - ein Buch, das sich auf wenig schmeichelhafte Weise mit der Amtsführung und dem Privatleben des 69jährigen Thomas Klestil und seiner Zweitfrau Margot Klestil-Löffler befaßt.

"Unsere Klestils - Ein Paar geht seinen Weg" stammt aus der Feder eines der ÖVP - und wie man sagt, besonders Bundeskanzler Wolfgang Schüssel - nahestehenden Journalisten. Für den Autor ist es das zweite Klestil-Buch: Im ersten hatte sich Ernst Hofbauer unter dem Titel "Der Verrat" mit der "zwielichtigen Rolle" des Staatsoberhauptes bei der Verhängung der Sanktionen gegen Österreich (wegen der ÖVP-FPÖ-Koalition) befaßt. Er hatte die Behauptung impliziert, Klestil habe die Maßnahmen der 14 EU-Staaten vom Februar 2000 gegen sein eigenes Land selber mit angezettelt.

Damals erfolgten keine rechtlichen Schritte gegen Hofbauer. Diesmal wartet der Verfasser mit noch stärkerem Tobak auf. Er gibt eine Behauptung wieder (auf S. 173), wonach Österreichs Bundespräsident und seine zweite Frau ein "gemeinsames Kind" hätten, das in einem Schweizer Internat großgezogen werde. Gleich darauf kommt es noch deftiger: Da ist von einer Pressekonferenz die Rede, welche Klestils Rivale als Präsidentschaftskandidat, der Bauunternehmer Richard Lugner, 1997 abgehalten habe. Laut dem Wiener Magazin News habe Lugner dort behauptet, Klestil habe "seine Löffler nach Holland zum Abtreiben geschickt". Süffisant bemerkte Hofbauer: "Thomas Klestil und seine damalige Lebensgefährtin Margot Löffler enthielten sich jeden Kommentars, erstatteten aber auch keine Anzeige wegen Verleumdung". Dagegen habe der Wiener Rechtsanwalt Otto Ludwig Ortner am 11. Juni 1998 bei der Staatsanwaltschaft Wien gegen Lugner Anzeige wegen Verleumdung und gegen den Bundespräsidenten "wegen Nötigung und Anstiftung zur Ermordung des eigenen Kindes" erstattet.

Hofbauer hat sich in seinen Formulierungen abgesichert. Er spricht von "haltlosen Gerüchten" und beruft sich auf etablierte Medien. Die Verfahren gegen Lugner und Klestil wurden eingestellt. Eine totale Beschlagnahmung des Hofbauer-"Machwerks" kam nicht zustande. Erst als der Ibera-Verlag an die 20.000 Exemplare verkauft hatte, schritt die Justiz halbherzig ein - die Neuauflage erscheint ohne die kritischen Stellen. Das Verfahren kann sich durch die Instanzen bis zum Ende von Klestils zweiter Amtszeit im Jahre 2004 hinziehen.

Das offizielle Wien hat sich vom Buch und seinem Verfasser distanziert - auch jene Politiker, die (wie etwa Schüssel) gar nicht gut auf Klestil zu sprechen sind. Inoffiziell aber wird in dem 300seitigen Opus schadenfroh geschmökert: "Dem alten Mann (Klestil) und seiner jungen Frau (Löffler) war in der Dienstvilla des Bundespräsidenten ... im vornehmen Wiener Gemeindebezirk Döbling jeglicher Sinn für politisches Gespür abhanden gekommen..." Und über die Präsidentengattin, die als Diplomatin im Wiener Außenministerium arbeitete (womit ihr Mann als Staatsoberhaupt ihr oberster Chef ist) werden Bonmots aus Regierungskreisen verbreitet: Die Frau des Präsidenten sei "wie eine Champagnerflasche, die man zu lange geschüttelt hat". Oder: "Sie ist eine Dame mit dem Ruf einer Dame, über den nicht gesprochen, sondern geschwiegen wird." Ein österreichischer Spitzendiplomat habe angeblich gesagt: "Wenn Margot Klestil-Löffler kommt, sprechen wir nicht mehr über Wichtiges." Das ist verständlich - denn der Bundespräsident unterschreibt die Ernennung von Botschaftern - und wer seiner im Außendienst tätigen Frau unangenehm aufgefallen ist, könnte bei allfälligen Botschafterschüben das Nachsehen haben. Bei Auslandsreisen kommt es zu grotesken Situationen: Während Frau Klestil-Löffler als "First-Lady" an der Seite des Präsidenten über rote Teppiche schreitet, steht ihr unmittelbarer Dienstvorgesetzter, der langjährige Generalsekretär des Außenamtes, Albert Rohan, unter dem "einfacheren" Volk und flüstert seinem syrischen Nachbarn zu: "Zu Hause in Wien ist sie meine Büroleiterin" - will sagen: Eine bessere Chefsekretärin.

Hofbauer vermittelt Schlüsselloch-Perspektiven, die einer voyeuristischen Gesellschaft auf den Leib geschrieben sind. So zieht er die übertriebene Protokoll-Sucht der Präsidentengattin durch den Kakao und berichtet, Frau Klestil-Löffler habe 1999 dem österreichischen Botschafter in den USA, im New Yorker "Waldorf Astoria" einen öffentlichen Krach gelieferte, bei dem die "Wände wackelten" - weil die Hotelsuite noch nicht bezugsfertig war. Ähnlich habe sie den Botschafter in Moskau vor dem russischen Personal einen riesen Krach gemacht, weil ihr irgendetwas nicht paßte. Als "Powerfrau der Sonderklasse" treibe sie den Präsidenten zu Erklärungen und Reisen an, halte ihn mit Informationen aus dem Außenamt auf Trab und nehme ihm einen Teil des Aktenstudiums ab: "Wo das Protokoll waltet, ist Österreichs heimliche Bundespräsidentin am Werk."

Die These Hofbauers - die zu so tiefer Verstimmung führte - ist unschwer zu erkennen: der einst ÖVP-nahe Thomas Klestil ist ein schwacher Präsident, der nach jahrzehntelanger Ehe seine Frau und die Mutter seiner Kinder im Stich ließ, um eine jüngere Geliebte zu heiraten, die er im diplomatischen Dienst kennenlernte. Im Wahlkampf 1998 (der Bundespräsident wird direkt gewählt) spielte Klestil noch den katholischen Familienvater, doch wurde er längst schon von der ehrgeizigen Diplomatin Löffler dirigiert, die von Hofbauer als "Prinzessin Gernegroß" bezeichnet wird.

Dabei scheut der Autor nicht den Vergleich mit der 1952 verstorbenen Frau des argentinischen Präsidenten Perón: "Österreich hat seine moderne Evita". Der "Rosenkrieg" mit seiner verstoßenen ersten Frau, die Machtstreitigkeiten zweier machtbewußter, ehrgeiziger Damen - der Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und der Frau Klestil-Löffler werden breit behandelt. Dem Leser bleibt der Eindruck eines österreichischen Sittengemäldes - aber auch der fahle Beigeschmack, hier werde ein letzter Rest geschichtlicher Größe und bisher unantastbarer Amtsautorität zu Grabe getragen - mitten in der Mediengesellschaft, in der Selbstdarstellung über allem steht.


 
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