© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/02 10. Mai 2002

 
Ohne Weltpolizist
Strafgerichtshof: USA kehren zum Unilateralismus zurück
Michael Wiesberg

Lapidar erklärte der US-Botschafter für Fragen von Kriegsverbre-chen, Pierre-Richard Prosper, in einem Schreiben an UN-Generalsekretär Kofi Annan, die Regierung in Washington fühle sich nicht mehr "an Ziel und Zweck des Abkommens" gebunden. Damit war der Vertrag über die Einrichtung eines Internationalen Strafgerichts (IStGH) gemeint, der inzwischen von der erforderlichen Zahl von Uno-Mitgliedern unterzeichnet worden ist. Unter Präsident Clinton hatten sich die USA der Idee eines IStGH für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeschlossen. Das Abkommen wurde während seiner Regierungszeit aber nicht mehr dem Senat zur Billigung vorgelegt. Clintons Nachfolger Bush hatte sich von Anfang an dagegen ausgesprochen. Statt dessen wollen die USA mit Nichtregierungsorganisationen, Universitäten und der Industrie zusammenarbeiten, um "bei Bedarf" Tribunale in bestimmten Ländern einrichten zu können. Die USA befürchteten, US-Soldaten könnten am IStGH aus politischen Motiven angeklagt werden - also an denselben Kriterien wie andere Staaten gemessen werden.

Die Regierung Bush unterstreicht mit dieser Entscheidung ihren zunehmend unilateralistischen Kurs. In diesem Zusammenhang ist etwa die Abkehr von den Kyoto-Protokollen zum Klimaschutz zu nennen, die Ignorierung der Genfer Konventionen über die Behandlung von Kriegsgefangenen auf dem Stützpunkt Guantánamo, und schließlich gehört auch die Kündigung des ABM-Vertrages über die Begrenzung der Systeme zur Raketenabwehr in diese Reihe.


 
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