© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/02 10. Mai 2002

 
Verharmlosungen
von Heinrich Lummer

Nach dem 1. Mai wurden die gewalttätigen Aktionen in Berlin von Vertretern des Senats als "lokale Ereignisse" und "sinnlose Rituale" herabgestuft. Als hätten die gewalttätigen "Rituale" je einen Sinn gehabt. Es handelt sich schlicht um schwere Straftaten, die durch nichts gerechtfertigt sind. Alle Verharmlosungen dieser Art entpuppen sich als eine verdeckte Sympathie oder sogar als klammheimliche Freude. Man stelle sich nur vor, derartige Aktionen wären von Rechtsextremen inszeniert worden. Sofort würde es zu einem "Aufstand der Anständigen" kommen und diese Typen erhielten die Namen, die sie verdienen: Chaoten, Verbrecher, Extremisten, Gewalttäter. Da aber in unserem Land nach wie vor mit zweierlei Maß gemessen wird, können die Aufstände der Unanständigen immer wieder stattfinden, um als "sinnlos gewordene Rituale" bagatellisiert zu werden.

Erfolge gegen solche Straftaten wird es nur geben, wenn diese Gruppen gesellschaftlich isoliert werden und jede geheime Sympathie verschwindet. Auch jene Konzepte sogenannter Deeskalation sind nichts anderes als Strategien der Verharmlosung, denn die Polizei wird im Rahmen dieser Strategie gezwungen, über schwere Straftaten hinwegzusehen. Statt dessen muß es beweissichere Festnahmen in möglichst großer Zahl geben, die auch zu Verurteilungen führen. Deren Zahl ist im Verhältnis zu Intensität und Zahl der begangenen Straftaten erschreckend gering. Das Ziel der Chaoten ist es, den Staat handlungsunfähig erscheinen zu lassen und die Polizei vorzuführen. Das darf man sich nicht bieten lassen, wenn man als Staat glaubwürdig bleiben will.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen