© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/02 10. Mai 2002


Die Lehren von Dschenin
von Michael Wiesberg

Der verstorbene israelische Ministerpräsident Menachem Begin höchstselbst hielt in seinen Memoiren stolz fest, daß das Massaker von Deir Yasin an 254 palästinensischen Männern, Frauen und Kindern im April 1948 vor allem dem Zweck diente, in ganz Palästina Massenterror und Massenflucht auszulösen. Ob die Vorgänge in dem palästinensischen Flüchtlingslager Dschenin einen ähnlichen Zweck verfolgten, wissen wir nicht. Wir wissen aber, daß in diesem Lager viele palästinensische Zivilisten ums Leben gebracht worden sind. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch fand bei Ermittlungen in Dschenin Beweise für Kriegsverbrechen des israelischen Militärs.

Die von UN-Generalsekretär Kofi Annan einberufene Kommission, die die Massaker-Vorwürfe gegen die israelische Armee untersuchen sollte, wurde nun aufgelöst. Der Grund: israelischer Widerstand. Israels Ministerpräsident Scharon wollte eine ihm genehme Kommission, die irgendwann die "passenden" Ergebnisse präsentiert. Konsequenzen seitens der "Völkergemeinschaft" braucht Israel indes nicht zu befürchten, womit es der arabischen Welt einmal mehr demonstrierte, daß der Staat offensichtlich Sonderrechte genießt. Islamische Extremisten werden diese Lektion in ihrem Sinne zu deuten wissen. Denn die "internationale Gemeinschaft" hat einmal mehr den Eindruck erweckt, nicht mehr als eine Veranstaltung zur Durchsetzung israelisch-amerikanischer Interessen zu sein.


 
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