© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/02 10. Mai 2002


Sowjetische Tendenzen
von Alexander Barti

Leistung und Sicherheit - Zeit für Taten" heißt das Wahlprogramm von Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU). Bekanntlich sind Wahlprogramme - gleich welcher Partei - nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind, aber gewisse Tendenzen lassen sich trotzdem ableiten. Zum Beispiel heißt es da verdächtig sowjetisch: Ein Konvent zur Modernisierung Deutschlands solle ins Leben gerufen werden, "der mit Experten und Politikern aller Parteien (sic!) besetzt sein wird". Und dafür soll man die Union wählen?

Der einzige Lichtblick sind die Überlegungen zur Familienpolitik, denn das bisherige Kindergeld soll durch ein abgabenfreies Familiengeld ersetzt werden, das unabhängig von der Höhe des Familieneinkommens gezahlt wird: "600 Euro für jedes Kind unter drei Jahren, 300 Euro für jedes Kind zwischen drei und 18 Jahren, 150 Euro für Kinder über 18 Jahren, die sich noch in der Ausbildung befinden." Das klingt ganz ordentlich, obwohl die Finanzierung wie immer in der Luft hängt. Zwar sind auch dafür gefällige Rechenbeispiele aufgeführt, dabei wird aber bewußt übersehen, daß die Volkswirtschaft immer weniger aus Berlin gesteuert wird. Entgrenzte Märkte pfeifen auf die Verordnungen aus nationalen Ministerien. Die Union hat längst akzeptiert, daß das Kanzleramt als Unterabteilung von Brüssel funktioniert und hauptsächlich die Aufgabe hat, die im Verwaltungs-Leviathan der EU zusammengekungelten Beschlüsse zu exekutieren. Davon liest man freilich nichts im Wahlprogramm. Daher hätten die Bürgerlichen eine so schnelle Rückkehr zur "Macht" nicht verdient.


 
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