© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/02 03. Mai 2002

 
CD: Neue Lieder
Von zart bis hart
Walter Thomas Heyn

Wer erinnert sich nicht der guten alten Zeiten, als Songwriter wie Bob Dylon Stadien füllten und im amerikanischen Radio Wettbewerbe stattfanden, wer seine meist genuschelten Texte am schnellsten und richtigsten enträtseln konnte. Oder als Liedermacher wie Franz Josef Degenhard, Reinhard May und Gerhard Schöne es fast bis in die Charts schafften. Sollten sie ausgestorben sein, das kleine Lied, das mehr oder weniger erotische Chanson, der harte politische Song? Nein, sind sie nicht. Aber sie blühen arg im Verborgenen. Das könnte mit den kritischen Inhalten und der deutschen Sprache zusammenhängen, die das Publikum ja direkt verstehen kann. Chansons, literarische gar, sind dem angeordneten Zeitgeist: nämlich "amüsiert euch mal lachend zu Tode und konsumiert schön viel dabei" vollkommen entgegengesetzt und könnten womöglich der geplanten flächendeckenden Volksverdummung ein bißchen Widerstand entgegensetzen.

"Chanson totale" steht für das Leben von Anna Haentjens, die sich bereits während ihres Musikstudiums mit der Interpretation von Chansons befasste. "Kinderzeit", ihre erste CD, enthielt Texte von J. W. Goethe, Heinz Kahlau, Erich Kästner, Jochen Kramer u .a. in Vertonungen von Norbert Linke, Manfred Schmitz, Norbert Schultze und ihrem festen Begleiter Sven Selle. Besonders die leisen Töne des Berliner Komponisten Manfred Schmitz "liegen" der Haentjens, diese vermag sie ausdrucksstark umzusetzen. Lieder wie "Die Entwicklung der Menschheit" und "Traum vom Fliegen" sind inspirierte Versionen. "Die Nordsee persönlich" betitelte Anna Haentjens ihre zweite CD mit Liedern der Lale Andersen, darunter Hits wie "Lilli Marleen", "Kleptomanin" und "Ein Schiff wird kommen". Die gnadenlose Härte, mit der diese Songs manchmal geboten werden, ersetzt Anna Haentjens durch sanfte Unaufdringlichkeit, die den Liedern insgesamt wohl bekommt. Beide CDs: Thorofon Schallplatten KG, Postfach 10 02 32, 30892 Wedemark, Tel. 0 51 30 / 7 99 31).

Susanne Grütz und Hubertus Schmidt, das ungekrönterKönigspaar der sächsischen Kleinkunstszene, macht nach sieben Programmen (darunter dem überaus erfolgreichen "Cafe Knax") und einigen hundert Liedern und Duetten miteinander Schluß und beschenkt die treue Fan-Gemeinde zum Abschluss mit einem Sampler ihrer gelungensten Lieder. "...Und sage gar, was mein Begehren ist" sowie andere große Lieder des Leipziger Dichters Andreas Reimann, der dem Komponisten Hubertus Schmidt lange Jahre vom Dissidentenknast Bautzen II bis in den Ruhm und die Nachwendedepressionen die Treue gehalten hat, sind ebenso darunter wie der Brecht-Klassiker "Wenn sie trinkt". Der unvermeidliche "Klodeckelsänger" und die "Moritat vom Gasanstaltsdirektor" werden in Erinnerung bleiben, vor allem aber die Hymne "Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben" von Dylon Thomas in der genialen Nachdichtung von Erich Fried. Dieses nichtreligiöse Auferstehungslied voller krudem Trost-Nichttrost vermag es sicher, auch härteste Herzen zum Schmelzen zu bringen. Leider fand sich kein Label für diese wertvolle Dokumentation. Interessenten können sich nur an den Komponisten direkt wenden.

Wahre Jazz-Experten sind nicht nur in den USA, sondern auch in unserem Landstrich zu finden. Dazu gehören Norbert Gottschalk (Gesang) und Frank Haunschild (Gitarre). Niemand kennt sie, aber sie bieten auf ihrer CD "Bridges" (Acoustic Music records, Postfach 1945, 49009 Osnabrück) hinreißenden, perlend leichten und perfekten Jazz auf Swing- und Standard-Basis. Wie weiland Ella Fitzgerald und Barny Kessel musizieren sie alles aus, was das Genre so verlangt und hergibt. Eine Extraempfehlung für Jazz-Fans!


 
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