© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/02 03. Mai 2002

 
Zeitschriftenkritik: Deutscher Ostdienst
Kompetenz mit Einschränkung
Doris Neujahr

Seit April erscheint der Deutsche Ostdienst (DOD), vormals vom Bund der Vertriebenen als wöchentlicher "Informationsdienst" herausgegeben, als monatliches "Nachrichtenmagazin": im A-4-Format, mit 34 Hochglanzseiten und farbigem Deckblatt.

Die erste neue Nummer eröffnet Bernd Posselt, Vorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Unter dem Titel: "Die Europäisierung Europas" gibt er eine Tour d'horizon durch die osteuropäischen Beitrittsländer. Posselt ist aber nicht nur Vertriebenenfunktionär, er sitzt auch für die CSU im Europaparlament. Sein Artikel ist genauso ausgewogen, erwartungskonform und trocken abgefaßt, wie man es von einem deutschen Europapolitiker erwartet. Auf einem Foto wird der Hradschin gezeigt: der "Sitz der tschechischen Regierung in Prag", behauptet die Bildunterschrift. Richtig ist: Hier befindet sich der Amtssitz des Präsidenten!

Es folgt ein langer Artikel von EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen unter der Überschrift "Gemeinsame Zukunftsgestaltung". Die weitere Lektüre kann man sich sparen. Immerhin hält Verheugen Streicheleinheiten für die Vertriebenenverbände parat, die "künftig noch wichtigere Funktionen" haben werden. Am brennenden Konfliktpunkt, den Benes-Dekreten, windet er sich professionell vorbei. Ein weiterer Beleg, daß eine Zeitschrift sich nicht erhöht, sondern erniedrigt, wenn sie amtierenden Politikern Platz und Druckerschwärze zur freien Verfügung einräumt.

Davon abgesehen, ist die Neugestaltung des DOD durchaus gelungen. Die klare Einteilung in Rubriken - Politik, Geschichte, Reportage, Nachrichten, Kultur, Aussiedler - erleichtert dem Leser den Zugriff. Die Bildqualität ist gut, nur das Mißverhältnis von Buchstabengröße und Zeilenabstand wirkt auf das Auge ermüdend.

In der aktuellen Ausgabe steht eindeutig Tschechien im Mittelpunkt. Die politische Karriere von Edvard Benes und seine Dekrete werden kurz, aber informativ dargestellt. Ein tschechischer Historiker äußert sich über den Verlauf (bzw. Nicht-Verlauf) der Vertreibungsdebatte in Tschechien. Dazu hätte man gern noch mehr Details und Hintergründe erfahren. Vorgestellt wird eine Selbsthilfegruppe für Aussiedler in Brandenburg. Deren Probleme spielen in der deutschen Presse üblicherweise kaum eine Rolle. Die Reportage über die böhmische Grenzstadt Ach/ As und ihren Verfall nach der Vertreibung der Deutschen wiederholt nur Bekanntes im vertrauten, larmoyanten Tonfall. Man könnte zur Abwechslung beispielsweise fragen: Wieviel Anteil am Niedergang hatte die ethnische Säuberung, wieviel der Sozialismus, und wie hängt beides miteinander zusammen?

Unbefriedigend ist die Rezension zum "Krebsgang" von Günter Grass. Tulla Pokriefke, die populärste Grass-Heroin, heißt hier "Ulla", vom Ich-Erzähler wird behauptet, er sei ein "bildungsbürgerlicher Versager", obwohl er doch aus sehr kleinen Verhältnissen stammt, dazu gibt es Druckfehler, die zur freudianischen Deutung einladen (Konrad, der jugendliche Todesschütze, will angeblich "weg von der linkslastigen mütterlichen Dauerbelegung" statt "-belehrung"!), und das Verhältnis von Stalin zu Ilja Ehrenburg war wesentlich komplizierter, als es hier dargelegt wird. In einer Zeitschrift, die eine besondere Kompetenz auf diesem Feld beansprucht, sind solche Schnitzer besonders ärgerlich.

Immerhin, der Wille zur Selbstbehauptung ist spürbar. Ob der neue Deutsche Ostdienst sich durchsetzen kann, wird davon abhängen, ob er sich einen originellen Standpunkt erarbeitet, der von Vergangenheitsbeschwörung, CDU-Parteipropaganda und verbrüderungsseliger Beliebigkeit gleich weit entfernt ist.

"Deutscher Ostdienst". Nachrichtenmagazin des Bundes der Vertriebenen. Godesberger Allee 72-74. 53175 Bonn. Erscheint monatlich. Das Jahresabo kostet 48 Euro.


 
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