© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/02 26. April 2002

 
Keine Offensive im Bund
Schill-Partei: Nach dem Scheitern in Sachsen-Anhalt beschränkt sich die Politik auf die Länder
Peter Freitag

Nachdem die Schill-Partei ihren Hamburger Paukenschlag elbaufwärts nicht wiederholen konnte, gab der Parteivorsitzende am Montag noch vor Zusammenkunft des Bundesvorstandes bekannt, daß er gegen ein Antreten bei der Bundestagswahl sei. Oberstes Wahlziel der Partei, so Schill, ist das Verhindern einer neuen rot-grünen Bundesregierung; es sei daher "nicht zu rechtfertigen", daß man antrete, da das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde drohe.

Schill sieht in diesem Fall die Gefahr, daß dadurch dem bürgerlichen Lager Stimmen für einen Regierungswechsel fehlen könnten, er sich also unfreiwillig zum "Steigbügelhalter" der jetzigen Regierung mache. Unberührt bleibt von diesen Überlegungen jedoch die Entscheidung, zu den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und in Niedersachsen anzutreten.

Schills Votum erinnert an seine gleichlautende Aussage, nachdem die Union Edmund Stoiber zum Kanzlerkandidaten gekürt hatte. Und wie damals erntet der Vorsitzende Widerspruch aus den Reihen seiner Gefolgschaft, die weniger das strategische Kalkül als vielmehr das eigene Profil im Auge hat. Denn so ehrenwert Schills Motive sein mögen, unproblematisch ist die Lage für die Partei Rechtsstaatlicher Offensive nicht. Schill wird wieder mit dem Vorwurf konfrontiert werden, er mache sich zum Erfüllungsgehilfen der Union. Unmut wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit vor allem unter denjenigen Mitgliedern regen, die aus Enttäuschung die C-Parteien verlassen haben, weil diese die Schwerpunktthemen der Schill-Partei immer nur zu Wahlkampfzeiten offensiv vertreten. Sollte Schill sich jedoch statt zu einer Alternative nur zu einem Anhängsel entwickeln, wäre die Euphorie und damit auch der Mitgliederzulauf schnell beendet.

"Die Bürger wollen und als eine neue politische Kraft, das haben wir in vielen Gesprächen festgestellt", so Hans-Joachim Selenz, Schill-Beauftragter in Niedersachsen, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT: Deswegen solle die Partei antreten. Auf der anderen Seite sieht auch Selenz den Organisationsgrad der Partei als "problematisch", weswegen die Frage, ob man auch dann an der Bundestagswahl teilnehmen könne, wenn es nicht in jedem Bundesland Verbände gebe, "differenziert zu beurteilen" sei. Sein Parteifreund Klaus Veuskens, der die Koordination im Raum Hildesheim übernommen hat, gab gegenüber der JF zu bedenken, daß viele Mitglieder enttäuscht wären, wenn zur Bundestagswahl keine Listen aufgestellt würden. "Die Leute warten darauf, denn was sie wirklich interessiert, ist die Bundespolitik!" Eine große Anzahl der Mitglieder sei für eine Teilnahme; wenn sich jedoch der Parteivorstand dagegen ausspreche, wäre ein davon abweichendes Votum auf dem Parteitag problematisch. Das könnte, so Veuskens Befürchtung "den Eindruck einer innerparteilichen Opposition und mangelnder Geschlossenheit erwecken."

Auch Dieter Mückenberger, Koordinator für den Aufbau eines Landesverbands in Nordrhein-Westfalen, sprach sich gegenüber der JUNGEN FREIHEIT eindeutig für die Teilnahme an der Bundestagswahl aus: "Alles andere wäre ein falsches Signal zum falschen Zeitpunkt". Das Ergebnis in Sachsen-Anhalt sei immerhin ein Achtungserfolg gewesen, die Partei habe trotz ihres erst kurzen Bestehens ein wesentlich besseres Ergebnis erzielt als die Grünen. Wolle man als eigenständige Partei wahrgenommen werden, sei mit einem Glaubwürdigkeitsverlust zu rechnen, wenn gegen eine Teilnahme an der Bundestagswahl votiert werde. Es sei das gute Recht des Vorsitzenden, so Mückenberger, daß er seine Meinung dazu äußere, die Mitglieder seien allerdings souverän in ihrer Entscheidung. Für den Parteitag, der zur Wahrung von Antragsfristen auf den 11. Mai verschoben worden ist, habe er deswegen im Namen der nordrhein-westfälischen Mitglieder einen Antrag für die Teilnahme an den Bundestagswahlen eingereicht.

Übereinstimmend wurde das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt mit der Person des Spitzenkandidaten begründet. Marseille habe zuviel Gegenwind aus der Presse bekommen, es sei ein Fehler gewesen, mit einem "Westimport" in den Wahlkampf zu ziehen. Das sei von den Bürgern in Sachsen-Anhalt als "Zumutung" aufgefaßt worden. Die Partei habe dort Erfolge gehabt, wo Einheimische kandidierten; am schlechtesten schnitt sie in der Landeshauptstadt mit unter drei Prozent ab.


 
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