© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/02 26. April 2002


Landtagswahl Sachsen-Anhalt
Propheten, Orakel, Pyrrhussiege
Kurt Zach

Zum Ritual des Wundenleckens nach einer Wahl gehört, daß man sich die günstigste Prophezeiung für die eigene Sache aus dem Ergebnis heraussucht. Keine Auswirkung auf die Bundestagswahl im Herbst, trotzen die Verlierer. Dieses war der erste Streich, protzen die Gewinner. Wir sind wieder wer, triumphieren die Zurückgekehrten. Es hätte schlimmer kommen können, trösten sich die Chancenlosen. Trotzdem respektabel, schulterklopfen sich die am Blitzstart Gescheiterten. Aber an uns kommt dennoch keiner vorbei, beharren die Ausmanövrierten.

Sie alle haben recht und unrecht zugleich. Die Sachsen-Anhalt-Wahl war kein Testlauf für die Bundestagswahl, aber sie wird den Wahlkampf bis zum Herbst entscheidend beeinflussen. Die Union spürt Wechselstimmung, die SPD verbirgt ihre Unsicherheit hinter kämpferischer Rhetorik. Stoiber stottert plötzlich nicht mehr, sondern bekundet souverän Mitleid mit dem Kanzler. Und der versteckt sich vor den Medien und schickt seinen General ins Feuer. Es ist also ernster, als man zugibt.

In Sachsen-Anhalt ging es vor allem gegen Rot-Rot. Und zwar gegen die unehrlichste Variante dieser Konstellation - die Tolerierung einer SPD-Minderheitsregierung durch die Postkommunisten. Das macht die PDS zum Pyrrhussieger dieser Wahl. Sie hat leicht zugelegt und beansprucht die Oppositionsführerschaft vor der deklassierten SPD, aber sie steht strategisch klar im Abseits, denn ihre Regierungsträume sind geplatzt.

Zerstoben sind auch die Hoffnungen der Schill-Partei auf ein Signal zum bundespolitischen Durchmarsch. Zu verwegen die Ankündigungen, zu schillernd das Personal. Alles spricht dafür, daß die Partei des Hamburger Amtsrichters ein regionales Phänomen bleiben wird.

Der Bundestagswahlkampf wird sich, wie vor vier Jahren, auf zwei Matadore zuspitzen - Titelverteidiger und Herausforderer. Verlierer werden die kleinen Parteien sein. Die Grünen ahnen es. Sie rufen den Lagerwahlkampf aus; ob er ihnen nützt, ist zweifelhaft. Die Wiederkehr des parlamentarischen Aus für die Grünen auf Bundesebene ist seit Sonntag wieder nähergerückt.

Die FDP will es dagegen noch nicht wahrhaben. Berauscht vom zweistelligen Ergebnis, sieht sie sich als Volkspartei "auf gleicher Augenhöhe" (Westerwelle). Von 13 auf 18 Prozent sei es nicht mehr weit, meint Generalsekretärin und Wahlsiegerin Cornelia Pieper. Wenn sie sich da nicht täuscht: Nirgends gibt es so viele ungebundene Wechselwähler wie in Sachsen-Anhalt. Die probieren mal diesen Hoffnungsträger aus, mal jenen. Gestern die DVU, heute die FDP. Für ein bundespolitisches Orakel taugt das Ergebnis der Liberalen am allerwenigsten.


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