© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/02 19. April 2002

 
Der Reformator
Kirche: Joseph Kardinal Ratzinger wurde 75 Jahre alt
Alexander Barti

Am 16. April feierte Joseph Kardinal Ratzinger seinen 75. Geburtstag. Der Präfekt der Glaubenskongregation wurde 1927 in Marktl am Inn geboren; nach seiner Priesterweihe in Traunstein vor 51 Jahren begann eine steile Karriere: Bereits mit 31 Jahren hatte sich Ratzinger habilitiert und lehrte, nach Stationen in Freising, Bonn, Münster und Tübingen als Dogmatik-Professor in Regensburg. Der junge Hochschullehrer fiel seinen Vorgesetzten auf, denn der Kölner Kardinal Frings ernannte ihn zu seinem Berater, als die Kirche sich anschickte, mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) "frischen Wind" in die heiligen Hallen zu lassen. Öffnung zur Welt und Versöhnung mit den "Errungenschaften" der modernen Gesellschaft lauteten die Schlagworte der damaligen Zeit, von denen Ratzinger zutiefst überzeugt war und für die er gerne streiten wollte.

Sein Einsatz zahlte sich aus: 1977 wurde Ratzinger von Papst Paul VI. zum 71. Nachfolger des hl. Korbinian ernannte, er wurde Erzbischof in dem Bistum München und Freising. Im selben Jahr berief der Papst Ratzinger in das Kardinalskollegium - sein Wahlspruch lautete "Mitarbeiter der Wahrheit" (Cooperatores veritatis).

Bereits wenige Jahre nach den Reformen des II. Vaticanums hatte man auch in der höchsten Hierarchie erkannt, daß man eine falsche Richtung eingeschlagen hatte. In seiner denkwürdigen Verlautbarung "Iota Unum" bemerkte Paul VI. am 30. Juni 1972, man habe die Fenster für frischen Wind geöffnet, aber eingedrungen sei der "Rauch Satans". Trotz dieser geradezu prophetischen Analyse wagte niemand, den liberalen Wahnsinn zu stoppen. Für Ratzinger war, wie er 1973 bemerkte, "das Erbe des Zweiten Vatikanums noch nicht erweckt", aber es warte auf seine Stunde "und sie wird kommen, dessen bin ich gewiß" - und sie kam dann auch: leere Kirchen, Disziplinlosigkeit unter dem Klerus, perverse liturgische Experimente und ein beispielloser Zusammenbruch der Einheit des katholischen Glaubens. Die modernen Eiferer werkelten trotzdem weiter. Ein besonders kläglicher Höhepunkt der progressiven Deformation war die Einführung einer neuen Messordnung 1970, die den seit dem 16. Jahrhundert gültigen tridentinischen Ritus - vom heiligen Papst Pius V. für alle Zeiten als gültig erklärt - "abschaffte". Wesentliche Glaubenswahrheiten, die durch das Ritual sichtbar gemacht wurden, veränderte man, so daß nicht wenige Beobachter von der Einführung eines neuen Glaubens sprachen.

Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Katastrophe ist es nicht verwunderlich, daß einige Geistliche das Ruder herumreißen wollten. Ratzinger entwickelte sich mit zunehmendem Alter zum behutsamen Kritiker der Reformen, besonders nachdem er 1981 als Präfekt der Glaubenskongregation über die Reinheit der katholischen Wahrheit zu wachen hatte.

Anfang August 2000 erregte der Kardinal mit der Verlautbarung "Dominus Iesus" einen Sturm der Entrüstung, obwohl dort nichts anderes bekräftigt wurde, als was die Christen von Anfang an geglaubt haben: Daß es außer in Christus, vermittelt von seiner Kirche, kein Heil geben kann. Besonders in den Reihen allerlei schismatischer und häretischer Gruppierungen entrüstete man sich über dieses "vorkonziliare" Dokument; Ratzinger galt spätestens seitdem als "erzkonservativer Panzerkardinal".

In seinem im Jahre 2000 veröffentlichten "Geist der Liturgie" kommt der Präfekt zu dem Ergebnis, daß der modernen Kultur das Knien fremd sei - "insofern sie nämlich eine Kultur ist, die sich vom Glauben entfernt hat und den nicht mehr kennt, vor dem zu knien die rechte, ja, von innen her nötige Gebärde ist". Aber er kritisierte noch schärfer: "Nicht der Blick auf den Priester ist wichtig, sondern der gemeinsame Blick auf den Herrn. Nicht um Dialog geht es nun, sondern um gemeinsame Anbetung."

Ratzinger setzte 2001 seinen "Kreuzzug" fort, als er sich vom 22. bis 24. Juli mit etwa 30 Bischöfen, Äbten und Repräsentanten von Ecclesia-Dei-Gruppen in dem Kloster Fontgomblaut traf, um den weiteren Vorgang zu koordinieren. Als die 1970 von dem Erzbischof Lefebvre mit der Erlaubnis Roms gegründete "Priesterbruderschaft hl. Pius X." als Antwort auf die Aktionen von Ratzinger die Schrift "Das Problem der Liturgiereform" veröffentlichte, in dem der fundamentale Bruch zwischen der tridentinischen Messe und einem wie auch immer reformierten Ritus dargestellt wird, zeigte Ratzinger sein liberales Gesicht: Der "Dialog" mit der Bruderschaft wurde ausgesetzt und der Kardinal begann mit der Apologie seines Projekts - wer letztlich gewinnen wird, die Tradition oder ein pseudo-konservativer Reformismus, weiß Gott allein.


 
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