© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/02 19. April 2002

 
UMWELT
Ästhetische Umwelt
Volker Kempf

Hunde laufen durch Deutschlands Städte und markieren ihre Reviere. Menschen sind da auch nur Tiere; statt Duftmarken setzen sie visuelle Zeichen. Ganze Rudel von Sprayern stecken so ihr Terrain ab. Während die Hinterlassenschaft von Hunden nicht gut riecht, sind die Schmierereien nicht schön anzuschauen. Zudem verursacht diese ästhetische Umweltverschmutzung bundesweit Kosten von 200 Millionen Euro; die Hälfte entfällt auf öffentliche Verkehrsmittel, die andere Hälfte auf private und öffentliche Gebäude. Das ergab eine Umfrage unter 26 Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern, wie der Deutsche Städtetag mitteilt.

Die Farbschmierereien hätten seit Ende der 1990er Jahre deutlich zugenommen. Eine Bundesratsinitiative soll jetzt die Strafverfolgung von Sprayern erleichtern. Denn bisher mußte die Bausubstanz durch die Farbe angegriffen sein, um als Sachbeschädigung klassifiziert zu werden. Sprayer könnten nun einwenden, bei ihren Werken handle es sich um Kunst. Doch ist es wohl eher Wildwuchs, überall hinzusprühen. Diesem Wildwuchs soll die Gesetzesinitiative entgegenwirken. Fragt sich nur, wo die Sprayer geordnet hinsprühen sollen. Es fehlt ein Gesamtkonzept, in das die Gesetzesinitiative eingebettet ist.

Gewiß, Respektlosigkeit gegenüber schönen Wohnhäusern gehört bestraft. Letztlich sind Schmierereien aber auch Ausdruck der Unwirtlichkeit unserer Städte. Wer bestraft also jene Bauherren und Stadtplaner, die in den fortschrittsgläubigen 1960er und 1970er Jahren ganze Betonwüsten geschaffen haben?


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen