© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/02 19. April 2002

 
Das gelobte Land ist noch nicht in Sicht
Israel I: Ariel Scharon holt sich rechtsgerichtete Parteien in die Regierung / Rückzug unwahrscheinlich / Waffenembargo trifft Israel
Ivan Denes

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hat seine Regierung erweitert. Vertreter zweier rechtsgerichteter Parteien haben die bisherige parlamentarische Unterstützung zugunsten einer Regierungspräsenz aufgegeben. Es handelt sich um die "Gesher" (Brücke)-Partei des David Levy und um die National-Religiöse Partei. Eine dritte politische Gruppierung, die Nationale Union/Israel Beitenu (Unser Haus) wird demnächst folgen. Mehr als zwei Drittel der Knesset-Abgeordneten sind jetzt in der Regierung vertreten. Eine derartige Unterstützung der Regierung seitens der Volksvertreter hat es seit langen Jahren nicht mehr gegeben.

Gleichzeitig mit der Erweiterung hat Sharon das bisherige "Sicherheitskabinett" - modelliert nach Golda Meirs einstigem "Küchenkabinett" - aufgelöst. Dieses bestand aus ihm selbst, Außenminister Shimon Peres und Verteidigungsminister Benjamin ben Eliezer, die beiden letzteren sind Vertreter der Arbeiterpartei. Der Likudnik Scharon wurde wiederholt von den beiden Vertretern der Arbeiterpartei majorisiert, was in der kritischen Lage des Landes zu gravierenden Entwicklungen führen konnte.

Besonders Shimon Peres, der zusammen mit Itzhak Rabin und Jassir Arafat den Friedensnobelpreis wegen des Osloer Abkommens zuerkannt bekommen hatte, konnte sich nicht der Situation anpassen, die seit dem 27. September 2000 - dem Ausbruch der Al-Aksa-Intifada nach Scharons Besuch auf dem Tempelberg - entstanden ist. Israel ist im Krieg, während Peres weiter vom "neuen Mittleren Osten" träumt, von dem Verhandlungsweg und von der Weiterführung des Osloer Prozesses und der Friedensverhandlungen. Inzwischen ist aber ein Kampf auf Leben und Tod entbrannt, in dem Tag für Tag deutlicher wird, daß die arabischen Staaten, mit Jassir Arafat an der Spitze, mit dem Mullah Regime in Teheran, mit Saddam Hussein in Bagdad und Bashir Assad in Damaskus kaum Frieden mit Israel im Sinn haben. Es verging kaum eine Woche, ohne daß die Arbeiterpartei nicht drohte, die Koalition aufzukündigen. Nunmehr hat Sharon - der sich seit Anfang der Antiterroroperation in den Gebieten am 29. März einer überwältigenden, mehr als 70prozentigen Unterstützung der Bevölkerung erfreut - den Rücken frei, selbst wenn die Arbeiterpartei die Koalition verlassen sollte.

Wer sind die neuen Regierungsmitglieder, die im erweiterten Sicherheitskabinett sitzen werden? David Levy war unter verschiedenen Ministerpräsidenten schon dreimal israelischer Außenminister. Seine Präsenz im Kabinett ist ein Wink in Richtung Peres: Levy könnte ihn zu jeder Stunde ersetzen. Levy, ein marokkanischer Jude, der neben Hebräisch Arabisch und Französisch spricht, denkt - wie die große Mehrheit der sephardischen Juden - national und hat nichts für die sogenannten "Peaceniks" übrig. Er ist ein eitler Mann, kein Ideologe, kein Arbeitsfanatiker.

"Die Terroristen töten, vertreiben oder aburteilen"

Der am Vorabend des Regierungsbeitritts der National Religiösen Partei (NRP) - ihr jahrzehntelanger Vorsitzender war der in Dresden geborene Josef Burg - an Stelle von Rabbi Itzhak Levy zum Parteipräsidenten gewählte Brigadegeneral a.D. Effi (Rafael) Eitam ist genau sein Gegenpol. Es ist ein charismatischer Führer, auf den sich die Hoffnungen der NRP richten, er werde die Partei aus ihrem Tief - sie ist von neun Abgeordneten im vergangenen Parlament auf fünf zurückgefallen - wieder herausführen. Diese Hoffnung ist wenig berechtigt, zumal die NRP seit jeher die Partei der religiösen aschkenasischen Juden aus Europa ist, die sich immer mehr säkularisiert haben. Die Masse der orthodox-religiösen Juden ist heutzutage sephardisch und wird von der Shas Partei vertreten.

Mit Eitam in der Regierung und im Sicherheitskabinett wird es kaum zu Kompromissen kommen können. Er sagt klipp und klar, er sei in die Regierung eingetreten, damit Ariel Scharon nicht "auf dem halben Weg" stehen bleibe. In einem am 8. April im Pariser Le Monde veröffentlichten Interview definierte Eitam die Kriegsziele des Landes:

1. Die Terroristen töten, vertreiben oder aburteilen. Beginnend mit Arafat.

2. Aller Waffen der Palästinensischen Autonomieverwaltung habhaft werden und ihre Infrastruktur zerstören.

3. Die Köpfe säubern, besonders der dem Einfluß des Islam ausgesetzten Jugend; man müsse die Indoktrinierung in den Moscheen, in den Schulen und im Fernsehen verbieten.

4. Den Palästinensern sehr deutlich machen, daß auf ewig zwischen dem Meer und dem Jordan es nur die israelische Souveränität geben werde.

Diesen vierten Punkt seines Programms wird Eitam kaum durchsetzen können, obwohl die Perspektive eines souveränen palästinensischen Staates unter dem Sternzeichen der Gewalt immer weiter der Realität entrückt. So entgeht es den Israel-Kritikern, daß ihre Forderung, Israel solle aus den 1967 besetzten Gebieten abziehen, nicht automatisch zu Errichtung eines palästinensischen Staates führen würde, denn einen Palästinenserstaat gab es bisher nie in der Geschichte. Wenn der Status quo von 1967 wiederhergestellt werden sollte, dann würde Gaza an Ägypten zurückgehen und die Westbank an Jordanien. Ariel Sharon hat schon vor Jahren auf die Tatsache hingewiesen, daß es einen Palästinenserstaat längst gibt, zumal die große Mehrheit der jordanischen Bevölkerung palästinensisch ist.

Die PLO unter ihrem ersten Vorsitzenden, Ahmed Shukeiri, und dann unter Jassir Arafat hat schon Jahre vor dem Sechs-Tage-Krieg und der Besetzung Gazas und der Westbank offen das Endziel verkündet: die Vernichtung des Judenstaates. Diesem Ziel haben sich auch Saddam Hussein, Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, der geistige Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, sowie Tausende von Demonstranten auf den Straßen von Kairo, Damaskus, Beirut, Islamabad, Tripolis, Algiers verschrieben.

Ein Volk läßt sich nicht ein zweites Mal schlachten

Ariel Sharon, der im Yom-Kipur-Krieg seine Panzerdivision über den Suez-Kanal führte und seine Kommuniqués "irgendwo in Afrika" veröffentlichte, wird heutzutage als "Verbrecher" abgestempelt. Die antiisraelische Wende in der deutschen Politik geht zum Teil auf die fälschliche Identifizierung Israels mit jüdischen Lobbygruppen in den USA zurück. Die Art und Weise, in der Organisationen wie der World Jewish Congress (WJC), das American Jewish Committee (AJC), Anti Defamation League (ADL) usw. gegen die Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich und die Niederlande vorgegangen sind, war nicht geeignet, projüdische Sympathien zu erwecken. Und das Unverständnis dafür, daß ein Volk sich nicht ein zweites Mal auf die Schlachtbank führen läßt, kann im Kern nur auf die tiefsitzende Abneigung gegen eben dieses Volk zurückgeführt werden.

In einer Rede im Mai 2001 erklärte Außenminister Joseph Fischer: "Die Ursprünge und die Identität der Bundesrepublik Deutschland können bis zum heutigen Tag nur auf dem Hintergrund von Deutschlands Verantwortung für den Holocaust verstanden werden. Die Erinnerung an dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Verpflichtungen, die aus ihm stammen, leiten weiterhin die deutsche Politik".

Heute, ein knappes Jahr später, war es offenbar Fischer, der vor wenigen Tagen in aller Stille ein Embargo auf die Lieferungen von Wehrtechnik an Israel erwirkt hat - inmitten des Existenzkampfes des jüdischen Staates. Seine Aussage vor Jahresfrist straft er nun selbst durch sein Vorgehen Lügen.


 
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