© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/02 19. April 2002

 
Reserviert gegenüber den Schill-Kameraden
Landtagswahl Sachsen-Anhalt II: Ein Gespräch mit dem CDU-Spitzenkandidaten Wolfgang Böhmer
Moritz Schwarz

Herr Böhmer, das Auftauchen der Schill-Partei hat der CDU in Hamburg zur Macht verholfen und auch in Sachsen-Anhalt hat sie überraschend die Chance, wieder den Ministerpräsidenten zu stellen. Warum ziert sich die CDU gegenüber der Schill-Partei so?

Böhmer: Nach dem 21. April wollen wir durch eigene Kraft die Regierung stellen. Allerdings gebe ich zu, daß wir wohl einen Koalitionspartner brauchen werden.

Wenn Sie nicht an eine große Koalition denken, werden Sie voraussichtlich die Schill-Partei brauchen, da es für Schwarz-Gelb sonst nicht reichen dürfte.

Böhmer: Wenn eine solche Kombination die einzige Möglichkeit wäre, in Sachsen-Anhalt Rot-Rot und die dadurch bedingte Stagnationspolitik zu verhindern, werden wir auch über eine solche Konstellation nachdenken.

Warum wird die Schill-Partei dann stets wie eine heiße Kartoffel behandelt?

Böhmer: Wenn Sie die Kameraden kennen, die unter dem Emblem der Schill-Partei auftreten, dann verstehen Sie diese Reserviertheit.

Was meinen Sie konkret?

Böhmer: Was ich bisher etwa auf gemeinsamen Podiumsdiskussionen erlebt habe, war nicht sehr vertrauenerweckend.

Die Schill-Partei sieht sich als bürgerliche Kraft, die sich von der CDU nur dadurch unterscheidet, daß sie bürgerliche Politik auch konsequent umsetzt. Wie würden Sie den Unterschied zwischen Union und Schill-Partei beschreiben?

Böhmer: Die Schill-Partei postuliert hehre Ziele wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Stärkung der öffentlichen Sicherheit. Doch diese Ziele verfolgen wir und auch andere Parteien genauso. Der Punkt ist, daß sich das alles ganz wunderbar anhört - solange es im Allgemeinen bleibt. Wenn es aber an die Umsetzung geht, höre ich von der Schill-Partei nur Merkwürdiges. Es kommen nur Vorschläge, die an der Lebenswirklichkeit völlig vorbeigehen.

Müssen die etablierten Parteien unkonventionelle Vorschläge nicht vielleicht vorsorglich als "merkwürdig" bezeichnen?

Böhmer: Nein, prüfen Sie doch selbst einmal die Lösungsansätze der Schill-Partei, diese sind ganz offensichtlich realitätsfremd.

Wie würden Sie die Schill-Partei politisch einordnen?

Böhmer: Das ist nicht meine Aufgabe. Ich beobachte, höre zu und bilde mir eine persönliche Meinung.

Der Verein "Die deutschen Konservativen" hat eine Anzeigenkampagne zur Unterstüzung der Schill-Partei auf Landesebene gestartet ...

Böhmer: Um ehrlich zu sein, ich kenne diese Kampagne nur vom Hörensagen.

In Sachsen-Anhalt sind dieThemen Wirtschaft und Arbeit "traditionell" die Wahlkampfthemen Nummer eins. Aber die Schill-Partei bedeutet für die Union auch eine Herausforderung beim Thema innere Sicherheit.

Böhmer: Das bedeutet sie nicht. Wir werden sehen, ob die Schill-Partei wirklich von diesem Thema wird profitieren können. Wir haben dieses Thema schon lange besetzt und diesbezüglich Vorschläge zu Veränderungen in diesem Land vorgelegt. Wir lassen uns von niemandem einreden, daß wir nicht konsequent genug für das Thema Sicherheit stehen.

Es muß aber doch bislang Versäumnisse bei der Union gegeben haben, damit die Schill-Partei so reüssieren konnte?

Böhmer: Diese Versäumnisse liegen in Hamburg möglicherweise bei allen Parteien. Daß die DVU bei der Landtagswahl 1998 über zwölf Prozent erhalten hat, ist keine Sache, die die CDU zu verantworten gehabt hätte. Auch in Sachsen-Anhalt gab es 1998 bereits die SPD-Minderheitsregierung. Die DVU war übrigens in ihrer politischen Arbeit in Sachsen-Anhalt absolut erfolglos und tritt auch nicht wieder an.

Vielleicht vernachlässigt die Union die konservativen und rechten Wähler?

Böhmer: Es wird immer Menschen geben, die markige Sprüche lieben und es lieber grobschlächtig formuliert haben wollen. Aber was die Inhalte unserer Programmatik angeht, haben wir bestimmt kein Thema vernachlässigt. Vielleicht drücken wir uns manchmal nur einfach zu zivilisiert aus.

Wie würden Sie sich selbst innerhalb der CDU politisch einordnen?

Böhmer: Ich betrachte mich als wertkonservativ.

Für wie groß halten Sie in Sachsen-Anhalt die Gefahr einer rot-roten Koalition, eventuell gar unter einem PDS-Ministerpräsidenten?

Böhmer: Die Gefahr eines PDS-Ministerpräsidenten ist im Moment noch nicht recht erkennbar, aber daß PDS und SPD nach Möglichkeit koalieren wollen, ist ja offensichtlich.

Die SPD geht mit der durch eine kommunistische Diktatur belasteten PDS wesentlich unbefangener um, als die CDU mit der unbescholtenen Schill-Partei. Dabei wird aber doch genau diese von der CDU als Partner benötigt, um eine postkommunistische Regierungsbeteiligung zu verhindern. Sehen Sie da kein strategisches Ungleichgewicht?

Böhmer: Nein, beide Parteien sind nicht vergleichbar. Die PDS ist durch ihre Vergangenheit sowie durch diverse nach wie vor vorhandene, ehemals marxistische Zielvorstellungen belastet. Die Schill-Partei ist nicht durch ihre Vergangenheit beladen - sie hat ja keine -, sondern belastet sich durch ihr Auftreten bzw. durch das ihrer Funktionäre.

Letztlich leidet das Land Sachsen-Anhalt in erster Linie nicht an einer falschen Politik, sondern an der Zerstörung seiner Struktur durch vierzig Jahre SED-Herrschaft. Was können die Parteien allesamt den Menschen dort wirklich für die Zeit nach dem 21. April versprechen?

Böhmer: Ein falsches Wahlversprechen wäre wohl, wenn wir die Menschen glauben machen wollten, daß nach der Landtagswahl und einem eventuellen Regierungswechsel der schiere Wohlstand ausbrechen würde. Das ist im übrigen auch in Sachsen und Thüringen nicht der Fall, die beide wirtschaftlich besser dastehen als Sachsen-Anhalt. Was wir aber versprechen können, ist, daß wir alle Chancen haben, mit diesen Ländern gleichzuziehen, wenn es nach dem 21. April zu einem Richtungswechsel in der Landespolitik kommt. Was wir verhindern wollen, ist, daß sich am 21. April, dem Tag der Vereinigung von SPD und KPD im Jahre 1946, in Sachsen-Anhalt Geschichte wiederholt.

 

CDU-Kandidat Böhmer im Wahlkampf: Der 66jährige habilitierte Arzt gehört seit 1990 dem Landtag von Sachsen-Anhalt an. Er war Finanzminister (1991/93) und Minister für Arbeit und Soziales (1993/94)

 

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