© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/02 19. April 2002

 
PRO&CONTRA
Deutsche Truppen nach Israel?
Mahmud Ala-Eddin / Prof. Manfred Lahnstein

Die israelische Regierung unter Ariel Scharon setzt ihren Krieg gegen die palästinensische Zivilbevölkerung fort. Und dies trotz der Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und trotz der Appelle der US-Regierung von Präsident Bush. Man versucht, durch zahlreiche Papiere und Initiativen - wie von der Europäischen Union oder dem deutschen Außenminister Fischer und dem US-Außenminister Powell - eine Lösung zu finden.

Wenn es trotzdem nicht zu einer Befriedung der Situation kommt, dann sehe ich die Notwendigkeit, daß die Vereinten Nationen eine neue Resolution verabschieden, um Friedenstruppen nach Israel zu entsenden. Dies geschah schon in vielen Krisenregionen der Erde. Da Deutschland eine gewichtige Rolle in der Weltpolitik übernommen hat, und sich seit fast zehn Jahren an Friedenseinsätzen beteiligt - warum sollte Deutschland sich nicht an einer Friedenstruppe beteiligen? Das ist doch im Rahmen eines Blauhelmeinsatzes durchaus möglich. Man hat Einwände hierzulande, die als Grund der Ablehnung eines solchen Einsatzes die besondere Verantwortung gegenüber Israel angeben: Ich glaube nicht, daß die deutsche Regierung bei einer friedenstiftenden Aktion sich dieser Verantwortung entziehen werden. Deutsche Friedenstruppen würden kaum nach Israel geschickt, um dort Krieg zu führen. Allein können wir dort das ganze Ausmaß der Zerstörung nicht mehr bewältigen. Und Scharon spielt Katz und Maus mit der Weltgemeinschaft - aus einem Ort ziehen die Israelis ihre Panzer ab, in den nächsten marschieren sie ein. Wenn das so weitergeht, und die Vermittlungsversuche von Powell oder Fischer scheitern, muß die Weltgemeinschaft eingreifen und eine Entsendung von Friedenstruppen beschließen. Da wäre die Beteiligung der Bundesrepublik sehr begrüßenswert. Man benötigt in diesem Konflikt eine dritte Partei, die Linien zieht.

 

Mahmud Ala-Eddin ist stellvertretender Generaldelegierter Palästinas in Deutschland.

 

 

Wenn man sich irgendwo davor hüten sollte, über ungelegte Eier zu gackern, dann in der Außenpolitik. Und ganz besonders der hochkomplizierte Konflikt zwischen Israel und Palästina eignet sich ganz und gar nicht dazu, auf Biertischniveau diskutiert zu werden.

Es gibt derzeit, soweit ich dies überblicke, nirgendwo auf der Welt die präzise Absicht, internationale Beobachter oder gar Streitkräfte an irgendeiner Grenze zwischen Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten zu postieren (wobei eine derartige Grenze ja auch nur unter erheblichen Schwierigkeiten zu definieren wäre). Man müßte zudem auch die Frage stellen, ob zum Beispiel das Einsickern von Selbstmordattentätern nach Israel durch internationale Beobachter überhaupt zu verhindern wäre. Die Erfahrung spricht eher dagegen.

Eins ist aber klar: Für die Stationierung von Beobachtern oder Blauhelmen müßte es ein klares Mandat der Vereinten Nationen geben. Zudem müßten beide Konfliktparteien zustimmen, wobei sich diese Zustimmung natürlich auch auf alle wesentlichen Modalitäten erstrecken würde. Nur dann, wenn alle diese Voraussetzungen gegeben wären, würde sich für die Bundesrepublik Deutschland überhaupt die Frage stellen, ob sie sich an einem derartigen Kontingent beteiligt. Keine verantwortliche Bundesregierung wird sich wohl zu einer Beteiligung bereit finden, wenn es auf israelischer Seite Bedenken gibt.

Insgesamt aber ist leicht einzusehen, daß dies eine mehrfach hypothetische Frage ist, auf die eine Antwort zu suchen derzeit müßig ist.

Deutschland sollte sich statt dessen weiterhin darauf konzentrieren, im bilateralen Kontakt, in der EU und vor allem in engem Verbund mit den USA auf friedlichere Verhältnisse im Nahen Osten hinzuwirken. Scheindiskussionen lenken da nur ab.

 

Prof. Manfred Lahnstein, Bundesminster der Finanzen a.D., ist Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.


 
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