© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/02 12. April 2002

 
Aufstand eines Anständigen
Der Mord an Gartenschläger
Christian Vollradt

In der Nacht zum 1. Mai 1976 verstarb an der "Staatsgrenze West der DDR" der 32jährige Michael Gartenschläger bei dem Versuch, eine Selbstschußanlage zur Detonation zu bringen, im Kugelhagel eines Sonderkommandos der Staatssicherheit. In den Wochen zuvor war es Gartenschläger gelungen, zwei solcher Todesautomaten abzumontieren und erstmals im Westen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Beteiligt an diesen Aktionen und Zeuge der Tötung Gartenschlägers war Lothar Lienecke, der zusammen mit dem Journalisten Franz Bludau ein umfangreiches Buch über das Leben sowie den gewaltsamen Tod seines Freundes verfaßt hat.

Ins Visier der Staatssicherheit geriet der 1944 in Strausberg bei Berlin geborene und aufgewachsene Gartenschläger erstmalig als Jugendlicher. Nach dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 schrieb der junge Rock'n Roll-Fan gemeinsam mit seiner Clique Parolen gegen das SED-Regime an Häuserwände und wurde darauf 17jährig wegen "staatsfeindlicher Hetze" zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt. Durch Freikauf gelangte Gartenschläger nach zehn Jahren Haft in den Westen, von wo aus er sich erfolgreich als Fluchthelfer engagierte.

Der erste Teil des Buches schildert Gartenschlägers Stationen bis zu seinem Freikauf 1971. Die vom Westen aus durchgeführten Aktionen werden dann aus der Ich-Perspektive Lieneckes geschildert. Besonders das Bemühen, Licht ins Dunkel der Stasi-Machenschaften gegen Gartenschläger - von Spitzeln in seinem Freundeskreis bis zum "tschekistischen" Sonderkommando - zu bringen, ist das Verdienst der Autoren. Hart ins Gericht gehen Bludau und Lienicke auch mit der politischen und medialen Öffentlichkeit nach der Hinrichtung an der Grenze: Während Gartenschläger als politischer Hasardeur abgestempelt wurde, rückten die von ihm entlarvten Todesautomaten um der "Entspannung" willen in den Hintergrund. Die juristische Aufarbeitung des Todes Gartenschlägers und der Prozeß gegen die an der Grenzsäule 231 eingesetzten Stasi-Kämpfer reiht sich letztlich in diese kritische und lesenswerte Analyse ein.

Lothar Lienecke, Franz Bludau: Todesautomatik. Stamp Media Verlag, Hamburg 2001, 456 Seiten, 25,51 Euro


 
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