© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/02 12. April 2002

 
Pleitewelle rollt durchs Land
Medienpolitik: Nach der Kirch-Insolvenz versucht die SPD, Unions-Kanzlerkandidat Stoiber unter Druck zu setzen
Thorsten Thaler

Nach dem Insolvenzantrag der Kirch-Gruppe für ihr Kerngeschäft am Montag dieser Woche gerät nun auch der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, zunehmend unter politischen Druck. Führende SPD-Politiker wollen den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef für die Pleite des Medienunternehmers Leo Kirch (75) mitverantwortlich machen.

Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Sigmar Gabriel forderte die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der die Rolle der Bayerischen Landesbank aufklären soll. Die Landesbank gehört zur Hälfte dem Freistaat und ist mit zwei Milliarden Euro der größte Kreditgeber der Kirch-Gruppe. Gabriel plädierte dafür, daß der Landtag in München nachprüfen müsse, wie die Kreditvergabe abgelaufen sei.

Zuvor hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) seinem Herausforderer Stoiber vorgeworfen, bei der größten Firmenpleite der deutschen Nachkriegszeit "Inkompetenz" gezeigt zu haben. Von der Bayerischen Landesbank seien Kredite geflossen, deren Absicherung fragwürdig sei. "Das ist nicht gerade ein Zeichen wirtschaftspolitischer Kompetenz", sagte Schröder mit Blick auf Stoiber. Die bayerische Landesregierung und Stoiber wollten jetzt ihre Verantwortung für die Kreditvergabe der Bayerischen Landesbank vertuschen. Der Kanzler selbst war erst kürzlich von der Opposition wegen der Insolvenz des Baukonzerns Holzmann angegriffen worden.

Stoiber verteidigte die Medienpolitik seiner Landesregierung. Die Schwierigkeiten bei Kirch seien nur das Ergebnis "unternehmerischer Fehleinschätzung", sekundierte CSU-Fraktionschef Alois Glück im Deutschlandfunk. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer erklärte, dem Kanzler werde es nicht gelingen, die Ergebnisse seiner "verfehlten Wirtschaftspolitik" Stoiber in die Schuhe zu schieben. Holzmann und Kirch seien nur die Oberfläche einer Pleitewelle, die durch Deutschland schwappe. Meyer verwies auf 32.300 Unternehmensinsolvenzen und einen Anstieg der Konkursrate im vergangenen Jahrum 20 Prozent.

Noch nicht absehbar war bis Dienstag die weitere Entwicklung bei Kirchs Bezahlfernsehen Premiere. Gegen ein Engagement des australischen Medienmoguls Rupert Murdoch im Bezahlfernsehen hat Schröder nach eigenen Angaben keine Einwände. Für problematisch hält er eine Beteiligung des Medienunternehmers und italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi. Schröder warf die Frage auf, ob es nicht am deutschen Medienmarkt bestimmte Grenzen für Investoren geben sollte.


 
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