© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/02 12. April 2002

 
Dreimal ist Kieler Recht
Schleswig-Holstein: Stürzt Ministerpräsidentin Heide Simonis, wie vor ihr Uwe Barschel und Björn Engholm, über die Lügen in der "Schloß-Affäre"?
Jochen Arp

Der Stuhl des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten ist wie verhext. Nach dem Ehrenwort des Ministerpräsidenten Uwe Barschel und der Lüge des SPD-Hoffnungsträgers Björn Engholm in der "Schubladen-Affäre" könnte jetzt Ministerpräsidentin Heide Simonis durch eine andere Falschbehauptung ebenfalls am Ende ihrer politischen Laufbahn angelangt sein.

Ein hoher Mitarbeiter ihrer Staatskanzlei mußte wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, des Betrugs und der Steuerhinterziehung seinen wohldotierten Platz in der öffentlichen Verwaltung mit der Zelle des Untersuchungsgefängnisses tauschen. Der von der Staatskanzlei zeitweise in die landeseigene Investitionsbank für die Betreuung der Expo abgestellte Mitarbeiter dient nicht nur dem Land Schleswig-Holstein, sondern auch mehreren Wirtschaftsunternehmen, die mit dem Lande Geschäfte machen wollten. Daß er dabei gezwungenermaßen in eine Interessenkollision geriet, trat zu Tage, als sich das Land von dem ihm gehörenden Kieler Schloß trennen wollte und sich dafür eine Hamburger Immobilienfirma interessierte. Zwar kam das Geschäft nicht zustande, weil die Stadt Kiel sich quer legte, doch erfuhr man so nebenbei, daß sowohl auf Seiten der Immobilienfirma als auch des Landes Schleswig-Holstein derselbe Manager Karl Pröhl zu finden war. Durch ihn hatte das Hamburger Unternehmen von der Veräußerungsabsicht des Landes erfahren. Um die Ministerpräsidentin zu retten, übernahm ihr Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Klaus Gärtner, die politische Verantwortung und trat zurück. Die Ministerpräsidentin beteuerte, von dem Doppelspiel Pröhls nichts gewußt zu haben, aber genau das wird jetzt von mehreren Seiten bezweifelt. Es blieb auch nicht bei der Aufdeckung dieser einen Nebenbeschäftigung. Immer neue Aktivitäten Pröhls traten zu Tage.

In mehreren Immobilienfirmen war er - neben seinem Dienst in der Landesregierung - in leitender Position tätig. Am Wiederaufbau eines ruinierten Schlosses im Kreis Plön soll Pröhl beteiligt gewesen sein. Der Fraktionsvorsitzende der oppositionellen FDP, Wolfgang Kubicki, präsentierte der Öffentlichkeit Schreiben, die Pröhl auf dem Briefpapier der Expo-Dienststelle des Landes verfaßt hat und in denen er der Verwaltungsgesellschaft, der die Schloßruine gehörte, den Empfang von 30.000 Mark für Dienste im Zusammenhang mit Schloß Bredenneek bestätigte. Für die Vermittlung eines Kredites der Investitionsbank, zu der er abgeordnet war, an einen Handwerksbetrieb, hat er eine saftige Provision eingestrichen.

Aber Ministerpräsidentin Simonis wußte von nichts. Der Unternehmer Brückner, Chef einer der Firmen, bei denen Pröhl "nebenamtlich" im Aufsichtsrat saß, behauptete öffentlich, Ministerpräsidentin Simonis lüge. Sie sei bereits im Frühjahr 2001 über die Nebentätigkeit ihres Mitarbeiters informiert gewesen. Einem Interview folgt die nächste Pressekonferenz. Es fliegen die Fetzen, und keine Seite rückte bisher von ihren Behauptungen ab. Dabei fällt dem Beobachter auf, wie zurückhaltend sich die größte Oppositionspartei im Kieler Landtag verhält. Nun hat sich die schleswig-holsteinische CDU in den letzten Jahren kaum durch Angriffslust und Witz ausgezeichnet; vor allem ihre Landtagsfraktion unter dem 62jährigen Martin Kayenburg bemühte sich, jeder ernsthaften Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner aus dem Wege zu gehen. So auch diesmal, als die CDU nach dem Fall des SPD-Staatssekretariats im Finanzministerium einen Untersuchungsausschuß beantragt hatte und den Antrag dann, als es ernst wurde, zurückzog, was FDP-Fraktionschef Kubicki zu Wutanfällen veranlaßte über die Schlappheit der CDU. Sie stellte zwar einen neuen Antrag mit erweiterter Zielsetzung, hatte aber die Chance verpaßt, zügig eine sich anbahnende skandalöse Affäre ans Tageslicht zu befördern.

Nun soll der Landtag am 24. September den Ausschuß konstituieren. Zwar hatte sich die SPD-Fraktion hinter Heide Simonis gestellt, indem sie sie demonstrativ gebeten hat, sich für eine weitere Amtszeit als Ministerpräsidentin zur Verfügung zu stellen, doch ist damit das Kapitel mit der Überschrift "Was wußte Heide Simonis?" keineswegs abgeschlossen.


 
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