© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/02 12. April 2002


Bürgerliche Feigheit
von Alexander Barti

Am vergangenen Sonntag hatte Edmund Stoiber (CSU) es gewagt, in der Frankfurter Allgemeinen eine Wahl als "Abstimmung zu unterschiedlichen Ansichten" der (Ausländer-)Politik zu bezeichnen. Der auf das Interview folgende Aufschrei der Empörung dürfte dem armen Edmund deutlich gemacht haben, daß es bei gewissen Themen keine Wahl gibt - und daß man eine ordentliche Tracht Polit-Prügel kassiert, wenn man an dem Tabu rüttelt.

Wer nicht verstehen will, daß Zuwanderung im Wahlkampf verboten ist, der ist "reif für die Psychiatrie", erklärte Heiner Geißler (CDU) in lupenrein totalitärer Diktion. Rita Süssmuth (CDU) sekundierte ihm mit dem warnenden Hinweis, daß es "gefährlich" sei, "mit der Ausländerpolitik in den Wahlkampf zu ziehen". Bei diesen Attacken aus den eigenen Reihen ist der Tiefschlag von SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler, der Stoibers Bemerkung "eine schweinische Spekulation auf das Erbe der DVU" nannte, geradezu niedlich.

Stoiber verstand die Botschaft sofort, legte seinen bewährten Rückwärtsgang ein und ließ verlauten, daß er keinen Ausländerwahlkampf führen wolle. Einmal mehr wurde damit deutlich, daß man in der Union nicht in der Lage ist, eigene Ideen offensiv zu vertreten; statt dessen schaut man gebannt - wie das Kaninchen auf die Schlange - auf die selbsternannten Gesinnungsterroristen a là Geißler, Süssmuth & Co. Bei so viel bürgerlicher Feigheit fällt es einem schwer, dem "konservativen" Stoiber die Daumen zu drücken.


 
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