© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/02 05. April 2002

 
In Berlin schlug die Stunde der Tradition
Die Grundsteinlegung von St. Petrus dürfte in der Amtskirche für Irritationen sorgen
Alexander Barti

Am vergangenen Osterwochenende ist in Berlin der Grundstein für eine Kirche gelegt worden; anschließend weihte man auch ihre Glocken. Davon abgesehen, daß in Zeiten des religiösen Niedergangs ein Kirchbau immer eine exotische Sensation darstellt, dürfte an jenem Akt besonders interessieren, daß er von dem Generaloberen der katholischen Priesterbruderschaft St. Pius X., Bischof Bernhard Fellay, vorgenommen wurde.

Die Bruderschaft, die von progressiven Theologen scharf angegriffen wird, weil sie sich unter anderem gegen die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) stellt, verzeichnet in den letzten Jahren verstärkt Zulauf von Gläubigen, die mit der theologischen und rituellen Beliebigkeit der Amtskirche nichts mehr anfangen können; wesentliche Glaubenswahrheiten sehen die "Piusbrüder" auf dem Altar eines übersteigerten Ökumenismus geopfert.

Solange die Gemeinde, wie in vielen anderen Städten auch, nur in einer kleine Hinterhofkapelle ihr Dasein fristete, konnte man die "Traditionalisten" ignorieren; mit dem repräsentativen Neubau der Kirche St. Petrus, nebst Vortragssaal und Priesterwohnungen in dem Berliner Bezirk Wilmersdorf, dürfte sich die Lage grundlegend ändern. Die Amtskirche ist nervös; als am 14. Januar in den "Berliner Seiten" der FAZ über den Neubau berichtet wurde, soll Kardinal Sterzinsky einen Wutanfall bekommen haben - die Taktik des Totschweigens war gescheitert.

Die Haltung Roms gegenüber der Piusbruderschaft ist nicht ganz klar (JF 6/02): Einseits erkennt man ihre Leistungen bei der Bewahrung des Glaubens an, andererseits will man die Reformen des Zweiten Vaticanums nicht gefährden. Die Verhandlungen mit Rom, von denen Bischof Fellay bei seinem Besuch ausführlich berichtete, sind in eine Sackgasse geraten, da der Vatikan nicht bereit ist, das tridentinische Messritual offiziell von dem - kirchenrechtlich illegitimen - Bann zu befreien.


 
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