© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/02 05. April 2002

 
"Wir betrachten das Wohl der Sorben als unsere Verpflichtung"
Interview mit dem tschechischen Abgeordneten Robert Kopecky über die Perspektiven der slawischen Nachbarn in Deutschland
Moritz Schwarz / Matthias Bäkermann

Herr Kopecky, Sie sind Abgeordneter der Sozialdemokratischen Partei in der Tschechei und engagieren sich aber für die Belange der sorbischen Minderheit in Deutschland. Die Sorben sind deutsche Staatsbürger, ist da die Einmischung eines ausländischen Parlamentariers nicht etwas heikel?

Kopecky: Als ich in unseren Medien von der Schließung der sorbischen Schule in Crostwitz erfuhr, habe ich Kontakt mit den Vertretern der Sorben hier vor Ort aufgenommen und meine Unterstützung angeboten. Die Sorben sind, wie wir Tschechen ein slawisches Volk und da es sich also um ein Mißachtung der Rechte eines Volkes handelt, das uns sehr nahesteht, ist unsere Solidarität doch nur allzu verständlich.

Die Tschechische Republik sieht sich also als Schutzmacht der Sorben?

Kopecky: Nein, dieses Engagement entspringt vielmehr unserem natürlichen Gefühl der Verbundenheit mit den Sorben und der Jahrhunderte währenden kulturellen Wechselseitigkeit zwischen unseren Völkern und es hat sich über alle Fraktionen des tschechischen Parlamentes ausgebreitet. So daß schließlich Vertreter aller Fraktionen die Verhandlungen, die die Sorben mit Ministerpräsident Milos Zeman und mit Bildungsminister Edvard Zeman im letzten Herbst führten, begleitet haben. Wir Tschechen betrachten es eben als unsere Verpflichtung, uns für das Wohl der Sorben zu engagieren.

Ministerpräsident Zeman persönlich hat Sie beauftragt, die Situation der Sorben in Deutschland im Auge zu behalten.

Kopecky: Wie schon die alten Römer sagten: "semper vigilio" (Immer wachsam sein!). Ich komme daher regelmäßig in die Lausitz.

Welche Verbindungen gibt es zwischen den Sorben und der Tschechischen Republik?

Kopecky: Die Verbindungen sind sehr stark. Schließlich hat die Lausitz über drei Jahrhunderte zur böhmischen Krone gehört, dessen sind wir Tschechen uns bewußt. In Deutschland setzt sich schließlich auch Bayern für die Sudetendeutschen ein. Und im übrigen sind es ja nicht nur wir Tschechen, die hinter den Sorben stehen, sondern auch die Slowaken und die Polen.

Sie setzen sich nicht nur Kraft Ihres Amtes für die Sorben ein, sondern auch persönlich.

Kopecky: Ja, während des Kampfes gegen die Schließung der sorbischen Schule von Crostwitz bin ich zu Hause morgens um vier aufgestanden, um hier rechtzeitig an den Demonstrationen gegen die Politik der sächsischen Landesregierung gegenüber den Sorben teilzunehmen. Das läßt einen nicht kalt.

Deuten Sie denn die Schulpolitik des Freistaates Sachsen als Repression gegen die Sorben?

Kopecky: Nein, wir wissen schon, daß die Politik Sachsens diesbezüglich auf wirtschaftlichen Problemen beruht. Wenn auch nicht als Repression, so sehen wir die Politik der Landesregierung dennoch als ein schwerwiegendes Unrecht an, da an die viel schwächere sorbische Minderheit prinzipiell dieselben Maßstäbe wie an die deutsche Mehrheit angelegt werden. In der Tschechei zum Beispiel gelten in der Schulpolitik für die Minderheiten, etwa die Polen, großzügigere Bemessungsgrenzen als bei Ihnen in Deutschland - und das, obwohl wir ein viel ärmeres Land sind.

Gefährdet nach Ihrer Meinung die Politik Sachsens den Bestand des sorbischen Volkes?

Kopecky: Genau aus diesem Grund sehen wir die Entscheidung im Crostwitzer Schulstreit so kritisch, denn die Lage der Sorben ist durchaus ernst. Gerade angesichts der strukturellen Probleme der Lausitz ist die Schließung der Schule in Crostwitz um so schlimmer, da es den schon durch die wirtschaftliche Lage unter Druck stehenden Sorben, noch einen weiteren, ich möchte sagen, verheerenden Schlag versetzt hat. Es bleibt mir unverständlich, warum auf die kritische Situation der Sorben von Seiten Sachsens nicht politisch reagiert wird. Gäbe es in meiner Gemeinde noch eine deutsche Minderheit, ich würde genauso für deren Recht auf muttersprachlichen Schulunterricht kämpfen. Am Karsamstag haben wir bei einem Volksfest bei uns in Ustek einer eingeladenen sorbischen Delegation einen Scheck über 25.000 tschechische Kronen überreicht, die wir zur Unterstützung der politischen und kulturellen Arbeit der Sorben gesammelt haben. Unsere Menschen haben das Geld als Zeichen ihrer Solidarität gegeben. Letzlich glaube ich aber, daß das sorbische Volk, das seit 1400 Jahren besteht, auch in Zukunft überleben wird.

 

Robert Kopecky ist seit 1996 Abgeordneter der Sozialdemokratischen Partei im tschechischen Parlament und Bürgermeister der Gemeinde Ustek in Nordböhmen.


 
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