© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/02 05. April 2002

 
"Verstoß gegen Grundrechte"
Dokumentation: Auszug aus der Verfassungsbeschwerde der JUNGEN FREIHEIT vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Land NRW

Die Erwähnung der Beschwerdeführerin in den Verfassungsschutzberichten ... des Landes Nordrhein-Westfalen verstößt gegen die Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 5 I GG (Meinungs-und Pressefreiheit), Art.2 I i.V.m.1 I GG (Persönlichkeitsrecht) sowie Art.12 I GG (Berufsfreiheit). Die Verfassungsschutzbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen hat das Instrument des Verfassungsschutzberichts, das eigentlich dazu dienen soll, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu verteidigen, gegen die Zeitung JUNGE FREIHEIT eingesetzt, um ein unbequemes Publikationsorgan mundtot zu machen. Die JUNGE FREIHEIT verfolgt keine verfassungsfeindlichen Ziele, sondern steht mit ihrer publizistischen Tätigkeit auf dem Boden des Grundgesetzes. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz prangert sie im Verfassungsschutzbericht als angeblich "rechtsextremistisch" an, obwohl dies nicht zutrifft. Auf diese Weise bekämpft die nordrhein-westfälische Verfassungsschutzbehörde nicht eine verfassungsfeindliche Bestrebung, sondern eine mißliebige Zeitung, deren Richtung mit ihrer Auffassung von "politischer Korrektheit" im Widerstreit steht.

Im einzelnen seien die rechtlichen Gesichtspunkte, aus denen sich die Verfassungswidrigkeit der nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzberichte ... sowie der sie bestätigenden Entscheidungen des VG Düsseldorf und des OVG Nordrhein-Westfalen ergeben, ohne Anspruch auf Vollständigkeit wie folgt zusammengefaßt:

1. Die Erwähnung der Beschwerdeführerin in den Verfassungsschutzberichten ... greift in die oben genannten Grundrechte ein.

2. Dieser Eingriff ist schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil er formell verfassungswidrig ist. Dem Land Nordrhein-Westfalen fehlt nämlich die Verbandskompetenz,über die Beschwerdeführerin in ihrem Verfassungsschutzbericht zu berichten.

3. Die Rechtfertigung des Eingriffs setzt im übrigen voraus, daß er auf einer verfassungsmäßigen Ermächtigungsgrundlage beruht. Ermächtigungsgrundlage ist hier §15 II Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (VSG NW). Diese Vorschrift ist in der Auslegung des OVG Nordrhein-Westfalen und des VG Düsseldorf mit den Grundrechten der Beschwerdeführerin unvereinbar. Die Gerichte hätten diese Vorschrift verfassungskonform auslegen müssen. Sie haben bei Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift die Grundrechte der Beschwerdeführerin verkannt. Der Bericht über extremistische Bestrebungen im Verfassungsschutzbericht ist ein politisches Kampfinstrument, das der Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dient. Für diejenigen, die im Bericht als "extremistisch" eingeordnet werden, hat es Sanktionscharakter. Unter Berücksichtigung der Pressefreiheit, der Meinungsfreiheit und des Persönlichkeitsrechts darf ein solches Instrument nur eingesetzt werden, wenn es sich bei dem Betroffenen tatsächlich, d.h. nachweisbar, um eine extremistische, d.h. verfassungswidrige Ziele verfolgende Bestrebung handelt. Bloße Verdachtsmomente können nicht ausreichen.

4. Würde man demgegenüber annehmen, daß es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß bereits bei einem bloßen - auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützten - Verdacht eine "Bestrebung" im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden darf, dann verstößt es jedenfalls gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, daß die Beschwerdeführerin im Verfassungsschutzbericht in dem mit braunem Rand markierten Kapitel "Rechtsextremismus " in einer Reihe mit erwiesenermaßen rechtsextremistischen Organisationen aufgeführt wird, mit deren politischer Zielsetzung die Beschwerdeführerin nichts zu tun hat.

5. Schon aus den bisher genannten Gründen sind die Verfassungsschutzberichte und die angegriffenen Gerichtsurteile also verfassungswidrig. Zusätzlich ergibt sich ihre Verfassungswidrigkeit auch daraus, daß die Verfassungsschutzbehörde und die Gerichte unter einer Reihe unterschiedlicher Gesichtspunkte bei der Anwendung des Verfassungsschutzgesetzes auf den vorliegenden Fall die Grundrechte der Beschwerdeführerin mißachtet haben.

6. Ein zentraler Grundrechtsverstoß besteht darin, daß die Verfassungsschutzbehörde und die Gerichte als angebliche "Anhaltspunkte für den Verdacht einer verfassungsfeindlichen Bestrebung" Texte aus der JUNGEN FREIHEIT verwenden, deren Inhalt nicht verfassungswidrig ist. Sie prangern damit politische Meinungen, die sie als politisch unkorrekt empfinden, als angeblich verfassungsfeindlich an, und stützen darauf ihre Einschätzung, die JUNGEN FREIHEIT verfolge verfassungsfeindliche Ziele. Dies ist ein Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit.

7. Ein typisches Argumentationsmuster dabei ist folgendes: In der JUNGEN FREIHEIT geäußerte Kritik an einer Politik, die in großem Maße die Zuwanderung von Ausländern zuläßt, wird als "ausländerfeindlich" bzw. "fremdenfeindlich" bezeichnet, obwohl die JUNGE FREIHEIT nichts gegen die Ausländer gesagt hat, sondern gegen die deutsche Zuwanderungspolitik. Aus der angeblichen Fremdenfeindlichkeit wird dann unvermittelt auf die Verfassungsfeindlichkeit - auf die angebliche Mißachtung der Menschenwürde und der fundamentalen Grundrechte der Ausländer - geschlossen. Auf diese Weise werden die in der JUNGEN FREIHEIT publizierten Meinungen in willkürlicher Weise verdreht und sodann unter Verkennung der Bedeutung der Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu Unrecht als verfassungsfeindlich eingestuft. Auf diese Weise will der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz eine ihm nicht genehme politische Richtung isolieren und aus dem politischen Diskurs ausgrenzen. Es liegt auf der Hand,daß die Wirkung dieses Vorgehens nicht auf die JUNGE FREIHEIT beschränkt bleibt, sondern sich gegen die betreffenden Meinungen als solche richtet: Die amtliche Anprangerung der jungen freiheit und der in ihr publizierten Meinungen als "rechtsextremistisch" hat Signalwirkung, für jeden, der diese Meinungen teilt. Er muß sich hüten, seine Meinung öffentlich zu äußern, um nicht seinerseits als Extremist zu gelten. - Diese Vorgehensweise des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes ist nicht mehr Rechtsanwendung, sondern Mißbrauch des Rechts.

8. Selbst wenn es Anhaltspunkte für den Verdacht gäbe, daß die JUNGEN FREIHEIT verfassungsfeindliche Ziele verfolgt (was zumindest voraussetzen würde, daß eine erhebliche Zahl von in dieser Zeitung publizierten Texten nachgewiesen würde, die eindeutig verfassungsfeindlichen Inhalt haben), verstieße die Erwähnung der JUNGEN FREIHEIT in den Verfassungsschutzberichten ... gegen das Grundgesetz. Denn sie wäre auch unter dieser Voraussetzung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unvereinbar, wie in der Begründung der Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf die Geeignetheit, die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne eingehend dargelegt wird.

9. Der Beschluß des OVG Nordrhein-Westfalens, die Berufung nicht zuzulassen, verstößt außerdem gegen die Rechtsschutzgarantie (Art.19 IV 1 GG), das Recht auf faires Verfahren (Art. 2 I GG i.V. m. Art. 20 III GG) und das Willkürverbot (Art.3 I GG).

Auszug aus der 83seitigen Verfassungsbeschwerde der JUNGEN FREIHEIT vor dem Bundesverfassungsgericht vom 23. Juni 2001. Der vollständige Text kann für 15,40 Euro beim JF-Buchdienst, Hohenzollerndamm 27 a, 10713 Berlin, bestellt werden.


 
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