© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/02 05. April 2002

 
Kolumne
Tiefpunkt
Klaus Hornung

Die Bundeswehr befindet sich an einem Tiefpunkt ihrer nun 47jährigen Geschichte, sowohl in Hinblick auf ihre materielle wie auf ihre geistige Lage. Der Bericht des Ausbildungsbeauftragten beim Generalinspekteur, Brigadegeneral Dieter Löchel, den Karl Feldmeyer kürzlich in der FAZ öffentlich gemacht hat, ist im Kern ein vernichtendes Urteil über das Versagen des vielberufenen "Primats der Politik", also der Politiker, der Parteien und unserer Gesellschaft insgesamt.

Offensichtlich kommt die Bundesrepublik Deutschland noch immer nicht aus ihrem Bewußtsein einer Schönwetterdemokratie heraus, obwohl die weltpolitische Lage seit der Wiedergewinung unserer staatlichen Einheit 1990 und nun insbesondere seit dem 11. September 2001 ein grundlegend anderes Bewußtsein erfordern würde, "ernsthafter, wacher, tapferer, auch opferbereiter" (Arnulf Baring). Auch und gerade der gegenwärtige Verteidigungsminister und sein Vörgänger verkörpern statt dessen exemplarisch dieses schönwetterdemokratische Bewußtsein und seine "Freiheit vom Ernstfall". Beide sind nicht nur ungedient. Volker Rühe verwechselte offensichtlich den politischen Primat mit arrogantem Auftreten gegenüber den Generalen und Rodulf Scharping hat seinen Lebensstil bekanntlich sattsam genug demonstriert.

Die Kluft zwischen Auftrag und Möglichkeit der Bundeswehr klafft immer weiter auseinander, und die Soldaten sind es, die die Lasten zu tragen haben, die aus dieser Kluft resultieren. Umso mehr ist der noch vorhandene verantwortungsvolle Einsatzwille unserer "Staatsbürger in Uniform" mit Respekt zu verzeichnen. Hier werden noch immer in der Verantwortung gegenüber Volk, Staat und Freiheit jene zeitüberlegenen Tugenden gelebt, die die Linken oft als "Sekundärtugenden" zu verspotten belieben. Mit Recht hat Karl Feldmeyer die Lage kommentiert: "Der Bericht (General Löchels) ist ein Wetterleuchten, das erhellt, was der Bundeswehr bevorsteht, falls die Wehrpflicht abgeschafft werden sollte, so wie es Grüne, FDP und PDS, aber auch Abgeordnete der großen Parteien wollen."

Ist das auf Grund laufende Schiff Bundeswehr noch zu retten? Niemand sollte sich Illusionen darüber machen, daß mit der Bundeswehr auch die Bundesrepublik Deutschland insgesamt früher oder später als relevanter Akteuer aus Politik und Geschichte ausscheiden würde. Auf dem Wege dazu ist sie schon. Dann wäre wohl das letzte Ziel mancher in unserem Land, von den Linksextremisten bis zu den Konsumidioten, erreicht.

 

Prof. Dr. Klaus Hornung ist Politikwissenschaftler und Präsident des Studienzentrums Weikersheim.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen