© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002

 
Meldungen

EU-Wertegemeinschaft mit Edvard Benes

STUTTGART. Seit der Nizza-Konferenz werden die Spalten politik- und rechtswissenschaftlicher Zeitschriften mit Beiträgen über die EU als "Wertegemeinschaft" überschwemmt. So hat jetzt auch Benedikt Speer, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Vergleichende Verwaltungswissenschaft und Öffentliches Recht an der Hochschule für Verwaltungswissenschaft in Speyer, das "wert- und rechtskonforme Verhalten als konditionierendes Element" der EU-Mitgliedschaft entdeckt (Die Öffentliche Verwaltung, 23/01). Mit der anstehenden Ratifizierung des Vertrages von Nizza habe sich die EU als Wertegemeinschaft die Möglichkeit "stufenweise steigerbarer Sanktionen" eröffnet. In der "Causa Österreich" (der Koalitionsbildung zwischen ÖVP und FPÖ) sei davon mit "neuer Sensibilität" Gebrauch gemacht worden. Das Vorgehen gegen Wien sei auch als warnender Hinweis an die osteuropäischen Beitrittskandidaten zu verstehen gewesen. Dabei berücksichtigt Speer zwar die besondere Erwähnung der Slowakei, deren Minderheitenschutz den EU-Wertehütern nicht genügte, geht aber mit keinem Wort auf die seit Monaten zwischen Wien, Berlin und Prag umkämpften Benes-Dekrete ein, die immer mehr auch zum Problem der in Nizza fixierten "Grundsätze der pluralistischen Demokratie und der Beachtung der Menschenrechte" werden.

 

Schröders Pragmatismus beerbt Schelsky und Co.

OPLADEN. Die "liberal-konservativen Gegenintellektuellen" der alten BRD hätten sich mit ihrer Skepsis gegen politische Utopien, ihrem Eintreten für die Normalisierung und Historisierung der NS-Zeit, ihrem Ruf nach "Eliten" und vielen anderen, gegen den 68er Geist gerichteten politischen Vorstellungen nach 1989 auf der Siegerseite der Geschichte fühlen dürfen. Doch, so meint Jens Hacke (Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, 4/01), der an der Humboldt Universität seine Dissertation über den deutschen Konservatismus nach 1945 schreibt, die Schmitts, Schelskys, Forsthoffs und Gehlens hätten in der Berliner Republik keine Nachfolger gefunden. Schon Lübbe, Spaemann oder Hennis hätten etwa Schmitts "Antiliberalimus nicht mehr geteilt. Aber auch für deren Ideen wirkte sich die historische Bestätigung nicht im Sinne einer "Erneuerung des parteipolitischen Konservatismus" aus. Wohl auch deshalb, weil der "Schrödersche Pragmatismus" ihre Themen inzwischen weitgehend aufsauge.

 

Erste Sätze: Vor vierzig Jahren um diese Zeit und diese Stunde sahen die Fischer des Frischen Haffs, die ihre Netze von den Pfählen nahmen, einen jungen Studenten jeden Morgen durch die betauten Wiesen nach dem hohen Walde gehen.

Ernst Wiechert: Jahre und Zeiten. Erinnerungen, Erlenbach - Zürich 1949


 
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