© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002

 
Rotationsprinzip in der Verwaltung
Wirtschaftkriminalität: Im Kampf gegen die Korruption hielt sich die SPD nicht an ihren eigenen Gesetzentwurf
Bernd-Thomas Ramb

Korruption", gellt wieder einmal der empörte Vorwurf im deutschen Blätterwald. Die SPD-Ge-nossen des Kölner Spendenklüngels haben ihre Gratisbescheinigungen über steuerlich absetzbare Zuwendungen an ihre Partei nicht ohne Gegenleistung erhalten. Der Spender, das rheinische Müllentsorgungsunternehmen Trienekens, konnte dafür mit "Gegenleistungen der Politik" rechnen. Noch bevor sich der kommunalsozialdemokratische Korruptionssumpf zum Flächenphänomen entwickelt, hat die SPD-Spitze nicht nur brutalstmögliche Aufklärung versprochen, sondern auch eine schärfere Korruptionsbekämpfung angekündigt.

Dabei brauchte sie eigentlich nur auf jüngst bereits Versuchtes zurückzugreifen. Am 25. Juni 1997 legte der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Rudolf Scharping dem Bundestag einen Entschließungsantrag vor (Bundestagsdrucksache 13/8084), der nahezu perfekt die notwendigen Gesetzesgrundlagen für die staatliche Prävention der Korruption einforderte. Daß der Entschließungsantrag damals abgelehnt wurde, lag an der fehlenden SPD-Mehrheit im Bundestag, die sie allerdings ein Jahr später besaß.

Kernpunkt des SPD-Antrags war das heute wieder von ihre entdeckte Korruptionsregister: "Die Bundesregierung richtet ein bundesweites Informationssystem ein, mit dem Ziel, Informationen über Ausschlüsse von Unternehmen vom Wettbewerb wegen schwerer Verfehlungen auszutauschen." Hätte die Kölner SPD diese Informationen gehabt, wäre der Skandal vielleicht vermieden worden.

Der SPD-Vorschlag ging damals sogar noch weiter: "Bei der Auftragsvergabe werden nur noch Unternehmen berücksichtigt,

die einen allgemeinen Verhaltenskodex erstellen, der jede Form korrupten Verhaltens untersagt, arbeitsrechtliche Konsequenzen für jeden Fall der Zuwiderhandlung androhen und diesen Kodex zum wesentlichen Bestandteil ihrer Arbeitsverträge erklären,

gegen die oder gegen deren Verantwortliche weder wegen eines Kartell- oder Korruptionsstrafverfahrens in den letzten beiden Jahren ein Bußgeldbescheid, ein Strafbefehl oder ein Strafurteil ergangen noch ein Ermittlungs- oder Strafverfahren nach Paragraph 153 a StPO eingestellt worden ist,

die Antikorruptionsklauseln und entsprechende Vertragsstrafen mit ihren Partnern im Inland vereinbaren."

Die Forderung nach einer Selbstverpflichtung der Unternehmen besitzt insbesondere den Charme einer fehlenden staatlich organisierten Festlegung, wer bei den Unternehmen zu den guten oder zu den bösen zählt. Denn diese Verfahrensweise führt unweigerlich selbst wieder zur Gefahr, die Durchführungsbehörden ihrerseits der Korruptionsverführung auszusetzen. Korruption entsteht grundsätzlich dann, wenn eine Dienstleistung gewährt wird, die nicht von vorne herein mit einer direkten Gegenleistung entgolten wird. Geradezu prädestiniert für Korruption sind deshalb amtliche Handlungen, die für den positiv Betroffenen eben eine Gratisdienstleistung bedeuten.

Nicht nur die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, sondern beispielsweise auch Baugenehmigungen oder milde Gerichtsurteile stellen deshalb für die Begünstigten ein Geschenk dar, das gerne mit einem Gegengeschenk erwidert wird oder sein will. Eine erste und oberste Maßnahme zur Korruptionsbekämpfung ist daher die möglichst weitgehende Eindämmung staatlicher Verordnungen und Hoheitsaufgaben.

Auch beim Thema Bestrafung der Korruption hat die SPD seinerzeit bereits hervorragende Gedanken geäußert: "Bei der Vergabe von Aufträgen des Bundes sind Antikorruptionsklauseln einzufügen und Verstöße gegen diese Klauseln mit wirksamen Vertragsstrafen zu versehen. (...) Eine gute Grundlage für solche Klauseln können die entsprechenden Vorschläge des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie von 1995 sein. Firmen, denen oder deren Verantwortlichen Verfehlungen (etwa Preisabsprachen, Manipulationen, Bestechungen oder Abrechnungsbetrug) nachgewiesen wurden, werden von der Teilnahme an Vergaben des Bundes ausgeschlossen. Die Dauer des Ausschlusses wird unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bemessen und beträgt in der Regel zwei Jahre, keinesfalls aber weniger als ein halbes Jahr." Genau dies hätte die SPD unmittelbar nach der Regierungsübernahme zusammen mit den Grünen im Jahre 1998 in ein Antikorruptionsgesetz umsetzen können.

Weiter heißt es im damaligen SPD-Antrag: "In korruptionsgefährdeten Organisationseinheiten der Verwaltung sind das Rotationsprinzip (gegebenenfalls ohne Vorankündigung) einzuführen, sowie die maximale Verwendungszeit bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Bereiche festzulegen. Bei der Ausschreibung, Auftragsvergabe und Ausführung von Aufträgen ist auf personelle Trennung unter Beteiligung von jeweils mindestens zwei Mitarbeitern zu achten. Die Dienstvorschriften über die Annahme von Geschenken sind nach einheitlichen Kriterien neu zu fassen."

Hätten sich die Ortsverbände der SPD nur freiwillig an die Einhaltung der sauberen Vorstellungen der Bundespartei gehalten. Mit Unwissenheit dürften sie sich kaum herausreden, eher war feixende "Wissenheit" angesagt. Mit dem moralischen Zeigefinger schrieben SPD-Vordenker: "In den Verwaltungen sind Korruptionsbeauftragte einzusetzen - die im Sinne einer Innenrevision und vorgangsbegleitend tätig werden - die Mitarbeiter beraten, sie regelmäßig über Korruptionsbekämpfung und deren straf-, disziplinar- und arbeitsrechtlichen Folgen informieren", dürfte da nur noch zu schallendem Gelächter geführt haben.

"Die Bundesregierung hat zwar erkannt, daß hier dringender Handlungsbedarf besteht und einen Gesetzentwurf vorgelegt. Der großen Bedeutung präventiver Maßnahmen wird ihre Initiative aber nicht gerecht. Dies ist nicht länger hinnehmbar", schrieb 1997 die SPD der Regierung von Helmut Kohl ins Stammbuch. Dem ist heute nichts hinzuzufügen.


 
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