© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002

 
"Ziemlich unerhört"

Dokumentation: Verschiedene Stimmen zum Streit über die Verabschiedung des rot-grünen Zuwanderungsgesetzes im Bundesrat
(JF)

"Inszenierungen haben im Bundesrat grundsätzlich nichts zu suchen. Die Union hat bereits während der Debatten im Bundestag erkennen lassen, daß sie kein Interesse an einem Kompromiß hat. (...) Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) hat sich dagegen vernünftig vorbereitet und vor der Debatte den Rat von Rechtsexperten eingeholt, um im fraglichen Moment die richtige Entscheidung zu treffen. Das ist ihm gelungen, auch wenn er es nicht gerade leicht hatte mit den Schreiereien aus den Unionsbänken."

Dieter Wiefelspütz, Innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, in der "Süddeutschen Zeitung" vom 26. März.

 

 

"Unser Handeln am Freitag war authentisch. Es ging uns darum, ein Gesetz zu verhindern, das uns ein Mehr an Zuwanderung bringen wird. Gerhard Schröder hat in den zurückliegenden dreieinhalb Jahren seiner Amtszeit zu oft in die Trickkiste des Kartenspielers gegriffen. (...) Der Schaden, den wir rückblickend zu beklagen haben, ist der mutwillige Verfassungsbruch durch die SPD und die Verletzung der Würde des Amtes des Bundesratspräsidenten. Der Schaden, den wir für die Demokratie in Zukunft zu befürchten haben, ist, daß Parteiräson über der Verpflichtung gegenüber dem Grundgesetz stehen könnte."

Thomas Goppel, CSU-Generalsekretär, in der "Welt" vom 26. März.

 

 

"Meines Erachtens war es ein auffälliges Zeichen von Unbedenklichkeit im Umgang mit der Verfassung. Es gibt kaum eine klarere Vorschrift im Grundgesetz als die, um die es hier geht. Sie sagt, die Stimmen eines Landes können nur einheitlich abgegeben werden. Und es steht dort nicht, daß nur die Stimme des Ministerpräsidenten zählt. (...) Für mich klingt Verfassungsbruch mehr nach Staatsstreich und Revolution, und davon kann natürlich keine Rede sein. Aber es war ein hochgradig unbedenklicher Umgang mit der Verfassung, der um so mehr erschreckt, als wir ja vor kurzem auch erlebt haben, wie der Verteidigungsminister in ähnlicher Weise mit dem Haushaltsrecht des Parlaments umgegangen ist."

Hans Klein, ehemaliger Bundesverfassungsrichter, im Deutschlandfunk am 25. März.

 

 

"Was am Freitag dann aber in der Berliner Länderkammer ablief, war schon recht kraß. (...) Daß der gegenwärtige Vorsitzende des Bundesrates, der Berliner SPD-Bürgermeister Wowereit, Brandenburg trotz der Pattsituation zu den zustimmenden Ländern schlug und damit das Gesetz als angenommen erklärte, ist ziemlich unerhört, umso mehr, als sich Wowereit damit über eine deutliche Stellungnahme der Bundesratsverwaltung hinwegsetzte."

"Neue Zürcher Zeitung" vom 23. März

 

 

"Die Abstimmung über das neue Zuwanderungsgesetz hätte zum letzten großen Reformschritt der Linksregierung in Berlin werden sollen, zur Krönung der rot-grünen Legislaturperiode. Statt dessen ist daraus eine Verfassungskrise geworden. (...) Und mit den anderen strittigen Themen, die zur Beratung anstehen, läuft Deutschland Gefahr, unregierbar zu werden."

Die italienische Tageszeitung "La Repubblica" am 25. März.


 
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