© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/02 29. März 2002


Berliner Luftbuchungen
von Doris Neujahr

Als Klaus Wowereit am 17. Juni 2001 zum Regierenden Bürgermeister Berlins gewählt wurde, gab er seinen Verzicht auf die hunderttägige Schonfrist bekannt, die jedem neuen Amtsinhaber zusteht. Was dann folgte, waren neun Monate des Stillstands, der mit dem Doppelhaushalt des rot-roten Senats fortgeschrieben wird. Da sind zunächst die Fehlleistungen im Stil und in der Sache: Ein autistischer Finanzsenator nennt, um den Personalabbau zu begründen, städtische Beamte und Angestellte "bleich und übelriechend". Der avisierte Sparkurs beruht weitgehend auf Luftbuchungen. Die Entscheidung etwa, die Landeszuschüsse für die Sanierung der Museumsinsel zu streichen, ist zu begrüßen, schließlich sind die Bestände der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eine gesamtnationale Aufgabe. Doch warum haben die Verhandlungen mit dem Bund, der die Finanzlücke füllen muß, nicht längst begonnen? Wieder einmal ist ein Berliner Senat zu schwach, um mit der Bundesregierung auf Augenhöhe zu verhandeln.

Als Katastrophe dürften sich die Einschnitte in Kultur und Wissenschaft erweisen, die auch Einrichtungen von internationalem Rang betreffen. Sie sind das einzige Kapital, das Berlin überhaupt hat. Wissenschaftler beginnen Berlin zu meiden, weil sie nach dem Durcheinander der letzten Jahre bezweifeln, daß der Senat als Vertragspartner kalkulierbar ist. Die rotgrüne Frucht hat sich als vergiftet erwiesen. Die rot-rote ist schon vor der Reife verfault.


 
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