© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/02 22. März 2002

 
Frisch gepreßt

Untergang. Der Publizist und Historiker Joachim Fest betrachtet in seinem neuesten Werk die letzten Wochen des nationalsozialistischen Systems, das mit seinem Verschwinden ein historisches Fanal manifestieren sollte. Der Endkampf um Berlin im April 1945 benötigte keinen zusätzlichen „Nero-Befehl“ eines Führers und Oberbefehlshabers mehr, um die Absicht zu entlarven, mit der Hitler „sein“ Volk zu einem gemeinsamen Suizid mitreißen wollte. Das morbide Erschauern vor einem ohnmächtigen Kampf ohne verbleibende politische Option, gesäumt von den sinnlosesten aller sinnlosen Toten des Weltkrieges, wird massenhaft Leser in seinen Bann ziehen. Damit löst Fests Buch genau das ein, was Hitler zu beabsichtigen schien - dem Untergang des „Dritten Reiches“ die nachhallende Aura einer Götterdämmerung wagnerscher Prägung zu geben (Der Untergang. Hitler und das Ende des Dritten Reiches. Alexander Fest Verlag, Berlin 2002, 207 Seiten, 17,90 Euro).

Totengedenken. Wer geht heute noch auf den Friedhof? Es ist, als habe die Neuzeit ihre Toten immer mehr an die Stadtränder verlegt, um nicht an sie erinnert zu werden. Dabei fanden noch im 19.Jahrhundert prunkvolle Begräbnisse mit allen gutbürgerlichen Symbolen der Trauer statt, vom schwarzen Flor bis zu Palmzweig und Friedhofsengel. In dem Band „Totengedenken und Trauerkultur“ sind geschichtliche Erkenntnisse zum Thema gesammelt und um ethnologische und psychologische Beiträge ergänzt worden. Ganz pessimistisch ist die Perspektive jedoch nicht: Anstelle der alten vernachlässigten Rituale beginnen sich neue zu bilden. Bunte Särge sind bereits im Angebot, und das Foto tritt in den Mittelpunkt der Feiern. Auch das Interesse an anonymen Bestattungen muß nicht nur Geldgründe haben. (Markwart Herzog, Hrsg.: Totengedenken und Trauerkultur. Geschichte und Zukunft des Umgangs mit Verstorbenen. Verlag Kohlhammer, Stuttgart 2001, 260 Seiten, 19,40 Euro).

Naher Osten. Der schon 18 Monate andauernde Konflikt zwischen Israelis und Arabern sorgt global für Ratlosigkeit: Warum führen Menschen gegeneinander so einen sinnlosen Krieg? Dan Bar-On, renommierter israelischer Psychologe an der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva, setzt seine Betrachtungen nicht erst im September 2000 an, wo die „Al-Aksa-Intifada“ sich nach Sharons Besuch auf dem Tempelberg entzündete. Er versucht, den persönlichen Hintergrund aller Akteure zu durchleuchten und hebt dabei auf das „monolithische Ich“ ab, dessen Existenz die Motive des Handels in einen sozialen Kontext stellt, den auch der weniger informierte Leser begreifen kann und kratzt so an vielen Tabus. Bar-On zwingt seine Gesprächspartner, sich mit den Wurzeln ihres Hasses zu beschäftigen und bringt so selbst extreme Positionen ins Wanken. (Dan Bar-On: Die Anderen in uns. Edition Körber Stiftung, Hamburg 2001, 255 Seiten, 15 Euro).


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen