© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/02 22. März 2002

 
Michael Rutz
Ja und Amen
von Carl-Gustaf Ströhm

Es ist, als würden die anonymen Alkoholiker die Kundenkartei einer Whisky-Destillerie übernehmen. Mit diesen Worten kommentierte ein Branchenkenner eines der wohl seltsamsten Geschäfte der deutschen Printmedienszene: Der immer noch in Bonn residierende Rheinische Merkur übernimmt die Abonenntenkartei der jüngst eingestellten Woche.

Nicht nur, daß hier der Auflagenschwächere den Auflagenstärkeren „schluckt“, der Rheinische Merkur verkauft etwa 100.000, die Woche dagegen zuletzt 135.000 Exemplare. Auch sonst könnte der Gegensatz nicht größer sein: die Woche war unter der Leitung Manfred Bissingers ein stramm linkes Blatt, der Merkur dagegen ist prononciert katholisch und, wird von den deutschen Bischöfen massiv subventioniert. Unter Chefredakteur Michael Rutz wirkt er eher betulich und angepaßt an die bundesdeutsche Konformität.

Rutz, 1951 in Coburg geboren, kommt ursprünglich vom Fernsehen. Nach dem Studium der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften in Würzburg und einem Zeitungsvolontariat bei der Neue Presse Coburg arbeitete er von 1976 bis 1989 in verschiedenen Funktionen beim Bayerischen Rundfunk. Danach war er fünf jahre Chefredakteur von SAT 1. Seit November 1994 leitet er die Redaktion des Rheinischen Merkur.

Heute sind die Zeiten, in denen die Zeitung Furore machte, längst Geschichte. Früher prägten Otto Roegele, Anton Böhm und der provozierend brillierende Paul Wilhelm Wenger das Blatt.Von dieser alten Garde findet man nur noch Roegele unter den Herausgebern - aber man liest nichts mehr von ihm. Die anderen sind längst tot.

In den Achtzigern versuchte der heutige Welt-Mann Thomas Kielinger, dem katholischen Blatt noch einmal Leben einzuhauchen. Er kam mit den Bischöfen nicht zurecht und gab auf. Vorher weigerte er sich, eine „Pankraz“-Kolumne zu drucken, welche die westlichen Aliierten kritisierte. Danach hat „Pankraz“ den Merkur verlassen; heute schreibt er in der JUNGEN FREIHEIT. Unter Kielingers Nachfolger Rutz wurde das Blatt auf Kohl-Kurs und politische Korrektheit getrimmt. Gewiß, es gibt seltene Ausnahmen, etwa wenn Steffen Heitmann als einer der Herausgeber vor einem Linksruck des wiedervereinigten Deutschlands warnt. Andere Mitherausgeber zeigen dagegen kaum nachdenklichen Skrupel, zum Beispiel, wenn es um die Lobpreisung mancher modernen Errungenschaft geht - ohne zu fragen, ob nicht eben diese den Niedergang des Christentums mit verursacht haben.

Im übrigen prägt heute linker Konformismus die einst konservativ-katholische Zeitung. So versetzte der Rheinische Merkur dem Autor Klaus Rainer Röhl einen Eselstritt, weil er von „links nach rechts marschiert“ sei und er -Röhl - in der Familien- und Feminismus-Frage katholische Positionen einnimmt - und dann auch noch Joschka Fischer kritisierte. So also sieht die subventionierte Synthese von Christentum und „Liberalismus“ aus.


 
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