© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/02 22. März 2002

 
Betrug an Staat und Volk
Hochmut kommt vor dem Fall: Die SPD versinkt im Spendensumpf
Fritz Schenk

Gott sei Dank ist die CDU-Spendenaffäre noch nicht so lange her, daß sie schon in Vergessenheit geraten ist. Sie zumindest bis zu den Bundestagswahlen im September am Köcheln zu halten, war das erklärte Ziel der SPD und ganz besonders ihres Oberstrategen und Wahlkampfmanagers Franz Müntefering. Daß nun ausgerechnet er als langjähriger Landesvorsitzender der nordrhein-westfälischen SPD über den Kölner SPD-Spendenskandal (der sich wahrscheinlich durch ähnliche Vorfälle in Bonn, Recklinghausen und Kiel ausweiten wird) mit in die Bredouille gerät, könnte als erste Reaktion Schadenfreude auslösen. Wie hatte er sich doch immer wieder aufgeplustert und die CDU-Spenden- und Finanzmisere dazu mißbraucht, Unionspolitikern, die auch nur im entferntesten damit in Verbindung gebracht werden könnten, jedwede politische Reputation abzusprechen. Dabei ging er mit dem Wort „kriminell“ nicht zimperlich um. Nun will ausgerechnet Müntefering der Öffentlichkeit weismachen, als damaliger Landesvorsitzender habe er in das Finanzierungsgebaren seiner unteren Parteigliederungen keinen Einblick gehabt.

Der SPD-Skandal erhöht den Schaden, den unser demokratisches Gemeinwesen schon durch den CDU-Skandal erlitten hatte: Das ohnehin nicht überragende Ansehen der Parteiendemokratie erleidet einen weiteren Knacks. Dabei sollten und dürfen wir nie vergessen, daß unsere Demokratie vor allem mit den (und durch die) Parteien funktioniert: Die unterschiedlichen gesellschaftlichen Vorstellungen in der Bevölkerung organisieren und artikulieren sich in Parteien, die für eine begrenzte Zeit das Mandat zur Durchsetzung des Wollens ihrer Wählermehrheiten erhalten. Nicht minder wichtig sind die Parteienvertreter in der Regionalpolitik, in Gemeinden, Kreisen und Ländern. Schon heute leiden vor allem ländliche Kommunen darunter, daß sich zu wenig (vor allem junge) Leute in Parteien organisieren, um die notwendigen Mandate zu besetzen, die auch in regionalen Körperschaften zur demokratischen Selbstverwaltung gebraucht werden.

Die Kölner SPD-Spendenaffäre ist von Anfang an ein strafrechtlich relevanter Vorgang und daher wirklich kriminell. Das Ausstellen von Spendenquittungen für „wirtschaftliche Leistungen“, worunter sowohl Bestechungen zum Erhalt öffentlicher Aufträge (etwa zum Bau und Betrieb einer Müllverbrennungsanlage) als auch die Abrechnung von Dienstleistungen von Handwerkern und ähnliches fielen, war Betrug in vielfältiger Weise: Der Staat wurde um Steuereinnahmen betrogen und hatte außerdem den vermeintlichen Spenderunternehmen Steuerrückzahlungen auf ihre Spendenbescheinigungen zu leisten, die Sozialkassen wurden um die Abgabe von entsprechenden Beiträgen geprellt, die SPD heimste für jede dieser vermeintlichen Spenden noch einmal den entsprechenden staatlichen Zuschuß ein - das heißt, diese Spendenpraxis ging eindeutig zu Lasten der öffentlichen Kassen. Und daß dieser Betrug ausgerechnet von der SPD begangen wurde, die doch zum Beispiel in Sachen 630-Mark-Jobs oder bei den Stichworten „Scheinselbständigkeit“ und „Schwarzarbeit“ auch noch den kleinsten Geldverdiener zur Abgabe von Steuern und Sozialleistungen zwingen will, macht sie hinsichtlich ihrer pausenlosen Gerechtigkeitsbeschwörungen absolut unglaubwürdig.

Zwar haben das Professoren-Ehepaar Scheuch oder Hans Herbert von Arnim und einige andere seit Jahren den Finger auf diese Wunde gelegt. Aber kein Hahn hat danach gekräht, kaum jemand hat diese Mahner ins Fernsehen geholt. Dabei wissen wir gerade aus ihren Arbeiten, daß der Kölner Skandal wahrscheinlich erst die Spitze des Eisbergs ist. Er ist ja überhaupt das Markenzeichen langjährig verfestigter Parteistrukturen, aus denen sich ebenso verfestigte personelle Seilschaften gebildet haben. Und so war es denn auch nicht verwunderlich, daß mit dem Bekanntwerden dieses „Spenden“-Schlamassels auch sofort der Name Karl Wienand wieder genannt wurde. Zur Erinnerung: Wienand war jene „rechte Hand“ von Herbert Wehner, die1972 mit der von dem CDU-Abgeordneten Steiner zugegebenen Bestechung in Höhe von 50.000 Mark Schwarzgeld das konstruktive Mißtrauensvotum gegen Willy Brandt zum Scheitern gebracht und damit die Kanzlerwahl von Rainer Barzel verhindert hatte. Inzwischen rühmen sich auch Markus Wolf und einige seiner Stasi-Agenten aus der Auslandsspionage, daß sie die Geldbeschaffer gewesen seien. Da gebe es auch noch einiges aufzuklären, was mit unlauteren Parteigeschäften zu tun hat.

Verwundern muß, daß der Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (vor)schnell erklärt hat, er wolle das Thema nicht im Wahlkampf aufgreifen oder es zumindest nicht „hochspielen“. Riecht der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende da möglicherweise Lunten glimmen, die auch in Bayern Feuer entfachen könnten? Immerhin sind auch in Bayern durch jahrzehntelanges alleiniges Regieren Verfilzungen entstanden, die sich von denen in alten SPD-Hochburgen nicht so wesentlich unterscheiden. Sollte die gesamte Union dem allerdings folgen, dann wird die SPD über ihren kriminellen Skandal wie über eine läßliche kleine Sünde hinweggehen können. Das wäre dann die Stunde von neuen politischen Senkrechtstartern.

 

Fritz Schenk war von 1971 bis 1988 neben Gerhard Löwenthal Moderator des ZDF-Magazins.


 
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