© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/02 15. März 2002

 
Der letzte Arbeitstag
Kino II: Tony Scotts „Spy Game - Der finale Countdown“ mit Robert Redford und Brad Pitt
Claus-M. Wolfschlag

Und wieder mal ein Ruheständler, der den Traum vom Karibik-Alterssitz der Lösung seines letzten Falles opfert. Denn was ist ein Mann wert, der nur noch auf der Sonnenliege lungert?

Wir schreiben das Jahr 1991: Für den altgedienten CIA-Agent Nathan Muir (Robert Redford) bricht der letzte Arbeitstag heran. Da muß er erfahren, daß sein einstiger Schüler Tom „Boy Scouf’ Bishop“ (Brad Pitt) in Schwierigkeiten steckt. Der Spionage angeklagt sitzt jener in einem chinesischen Gefängnis und wartet auf die Vollstreckung der über ihn verhängten Todesstrafe. Nur noch 24 Stunden. Und da der Geheimdienst einen internationalen Skandal scheut, lehnt man es ab, den eigenen Mann zu retten. Muir ahnt, daß nur noch er in der Lage ist, durch geschicktes Intrigenspiel gegen die eigenen Vorgesetzten und phantasievolles Improvisationstalent den Kopf seines Weggefährten und beruflichen Sohnes vor dem Tod zu bewahren.

Die Freundschaft und Desillusionierung der beiden Männer - besetzt mit den Schauspielstars zweier Generationen - wird dabei in Rückblicken erzählt, die in die Jahre 1975 bis 1991 führen. Die Handlung pendelt zwischen dem CIA-Büro, dem chinesischen Gefängnis und den historischen Schauplätzen in Vietnam, Berlin und Libanon. Verwirrend daran erscheint bisweilen, daß die Aufnahmen nicht an Originalschauplätzen stattfanden. Die chinesischen Gefängnisszenen wurden aus politischen Gründen in einer verlassenen Strafanstalt im englischen Oxford gedreht, ohne exakte Kenntnisse über das chinesische Strafsystem. Das vietnamesische Militärcamp und die Beiruter Straßenszenen entstanden in Marokko. Und die Berliner Szenen wurden in Budapest gedreht, da das heutige Berlin „mit dem Berlin von 1975 nichts mehr gemeinsam“ habe. Einem geübten Auge fällt allerdings schnell auf, daß auch das heutige Budapest wenig mit dem Berlin der siebziger Jahre gemein hat, das in „Spy Game“ wie eine mit der Nebelmaschine aufgemotzte Version des „Der dritte Mann“-Wien erscheint.

Nichtsdestotrotz gehört die stimmungsvolle technische Inszenierung zu den Stärken des Streifens. Kein Wunder, heißt doch der Regisseur Tony Scott, 1983 bekannt geworden durch das moderne Vampirdrama „Begierde“ mit Catherine Deneuve und David Bowie. Scott, der alte Werbe- und Krimifilmer, zeigt wieder einmal die Bandbreite seines ganzen Könnens, arbeitet variierend mit hartem Licht, Gelbfiltern, Zeitlupenaufnahmen, erzeugt Stimmungsbilder in einer Dichte, wie sie sonst nur die Werbeindustrie liefert. Hier ist ein Profi der Bildästhetik zugange, was über manch unausgeschöpfte Chance in der Handlungserzählung hinwegtröstet.


 
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