© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    12/02 15. März 2002

 
Hofberichte rechnen sich nicht
Medien: Aus für „Die Woche“ / Wochenzeitungen in der Krise / „Bayernkurier“ expandiert
Ronald Gläser

Auch in Zeitungsredaktionen bestimmt das Sein das Bewußtsein. In ihrer finalen Ausgabe widmete sich Die Woche nicht von ungefähr der ungewissen Zukunft des Kirch-Konzerns. Die Wochenzeitung befand sich selbst in einer Schieflage. Trotzdem kam das Ende der Zeitschrift aus Hamburg für Leser wie Mitarbeiter unerwartet plötzlich.

Die Woche war ein rot-grünes Propagandaorgan, selbst die linksliberale Süddeutsche Zeitung urteilte, sie sei ein „halbamtliches Mitteilungsblatt“. Im Kern war sie zutiefst intolerant. Im Hysterietaumel verschrieb sie sich vor anderthalb Jahren dem Kampf „gegen Rechts“. Die JUNGE FREIHEIT wurde als publizistischer Vorbote einer neuen Diktatur denunziert. Unter der Überschrift „Faschos“ geißelte man Dieter Stein als Rechtsextremisten.

Dabei verstand sich die Woche selbst als eine Art Wegbereiter. Sie war der publizistische Schulterschluß von Rot und Grün in der politischen Landschaft. Ihre Entstehung datiert zurück in das Jahr 1993. Damals hatte die SPD ihre letzten Vorbehalte gegen die Alternativen gerade ausgeräumt. Angesichts des Niedergangs der Grünen als eigenständige Kraft ist die Einstellung der Woche eine logische Folge.

Ihr Herausgeber und Chefredakteur Manfred Bissinger hat mit 61 Jahren seinen Zenit längst überschritten. Der Altlinke galt lange als Kronprinz Henri Nannens beim Stern und war zeitweise Chefredakteur von der ultralinken Postille Konkret. Zudem brüstete er sich gerne damit, Freund und „Medienberater“ des Bundeskanzlers zu sein.

Natürlich ist das Ende der Woche nicht nur das Resultat des Hinscheidens der grünen Klientel. Handfeste wirtschaftliche Gründe haben den Verlag veranlaßt, Die Woche einzustampfen. Der Verleger Thomas Ganske hat jährlich zweistellige Millionenverluste verbuchen müssen. Mit 135.000 Lesern erreichte er zwar fünfmal so viele Leser wie die JUNGE FREIHEIT. Aber sechzig Mitarbeiter waren angesichts sinkender Anzeigenerlöse nicht finanzierbar. Verhandlungen über eine Übernahme durch die WAZ-Gruppe waren gescheitert.

Dabei war Die Woche erst vor kurzem umgestaltet worden. Ihre vollständig farbige Aufmachung war von Anfang an einzigartig und ansprechend. Mehrere Preise für optische Qualität hat sich das journalistische Vorhaben wirklich verdient. Das Lob der Branche hat die Macher der Woche über die Appetitlosigkeit der Leser hinweggetäuscht.

Den Mitbewerber verschiedet die Zunft nun mit würdigenden Grabreden. Der Deutsche Journalisten-Verband gibt sich bestürzt. Verbandschef Rolf Lautenbach bezeichnete die Einstellung als schweren publizistischen Verlust für die deutsche Medienlandschaft. Schadenfreude über das „Ableben des Hamburger Patienten“ läßt dagegen Die Welt erkennen. Im Spiegel trauerte Roger de Weck um die „Zeitschrift neuen Typs“. Der frühere Chefredakteur der Zeit vermißt Die Woche, weil er nach eigener Aussage „gern regierungsfreundliche Blätter“ liest.

Allerdings wird sein früherer Arbeitgeber voraussichtlich am ehesten vom Ende der Woche profitieren. Die Zeit könnte ihren Abstand als führende deutsche Wochenzeitung weiter ausbauen. Mit 442.000 Lesern liegt sie derzeit nur knapp über der Welt am Sonntag. Deren Anziehungskraft sinkt ohnehin. Denn auch beim Berliner Springer Verlag wird umstrukturiert. Vielleicht wird die WamS noch stärker mit der Tageszeitung Die Welt verzahnt. Der Internetauf-tritt und einige Ressorts sind bereits zusammengelegt. Zudem wird die Welt mit der Berliner Morgenpost verschmolzen (JF 51/01).

Auch die hessischen Kollegen sind in Bedrängnis. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung erreicht nur eine Viertelmillion Leser, deutlich weniger als ihre tägliche Schwester, die FAZ. Die Konsequenzen haben zur Abschaffung heißgeliebter Leistungen bei der FAZ-Gruppe geführt. Das Dienstwagenprivileg, für das die ganze Branche FAZ-Bedienstete beneidet, wurde zunächst für Jungredakteure gestrichen.

Abgeschlagen hinter diesen Giganten - Die Zeit, WamS, FAS - rangierte Die Woche auf dem vierten Platz. Immerhin übertraf sie die Auflage des Rheinischen Merkurs noch um rund dreißig Prozent. Der Merkur und das ähnlich starke Ostpreußenblatt sind journalistische Nischenprodukte. Letzteres gehört der Landsmannschaft Ostpreußen und wendet sich primär an deren Angehörige. Der Rheinische Merkur gehört dagegen der katholischen Kirche. Ein Nischenprodukt ist auch die ultralinke Berliner Jungle World.

Expandieren will dagegen das CSU-Hausblatt Bayernkurier. Die Parteizeitung aus München will nach einer Umstrukturierung das Weißwurst-Reservat verlassen. Der Kanzlerkandidat Stoiber ist als CSU-Vorsitzender auch Herausgeber. Als nationale Wochenzeitung soll der Bayernkurier dessen Ambitionen flankierend unterstützen.

Durch den wiederbelebten Kioskverkauf sollen die rund 75.000 Leser vermehrt werden. Neu organisiert wurde das Blatt von einer Tochterfirma der FAZ. Mit Peter Schmalz wurde von der Welt ein hochkarätiger Chefredakteur eingekauft. Werbung soll der Mitgliederzeitung eine finanzielle Basis und schwarze Zahlen im Jahr 2003 bringen. Derzeit setzt der Bayernkurier lediglich 4,5 Millionen Euro um. Beilagen wie beispielsweise zur Cebit sollen Anzeigenkunden anlocken.

Die CSU-Zeitung hat dank der Stoiber-Kandidatur bereits jenseits Bayerns an Akzeptanz gewonnen. Eintausend Exemplare gehen wöchentlich nach Berlin, heißt es. Den neuen Kunden wird durch Beiträge wie „Preußen als Prinzip der Moral“ Rechnung getragen. Als prominente Kolumnisten greifen der designierte Berliner CDU-Chef Christoph Stölzl oder B.Z.-Chefredakteur Georg Gafron zur Feder.

Der einzigartige finanzielle Rückhalt durch die Partei ermöglicht den Bayern hochgesteckte Ziele. Alle anderen Wochenzeitungen in Deutschland müssen eine Flaute hinnehmen. Tageszeitungen berichten immer ausführlicher über das Tagesgeschehen hinaus. Als Medium macht das Internet der Wochenpresse Konkurrenz. Und die wirtschaftliche Stagnation zwingt Unternehmen zu Einsparungen. In Werbung wird weniger investiert.

Gerade die reichhaltige Landschaft der Finanz- und Börsenblätter leidet unter der Baisse am Kapitalmarkt. Reihenweise sind Wochenzeitungen vom Markt verschwunden. Zuletzt wurde der Netmanager, eine Tochter des zum Spiegel gehörenden Managermagazins, seiner Eigenständigkeit beraubt.

Renommierte Tageszeitungen sind natürlich auch betroffen. So mußte Handelsblatt einen Rückgang seiner Auflage von acht Prozent erdulden. Im Onlinebereich entschieden sich die Düsseldorfer sogar für einen personellen Kahlschlag. Auch bei der größten deutschen Tageszeitung, der Süddeutschen Zeitung, regiert der Rotstift. Die Seitenzahlen sollen ebenso reduziert werden wie die Belegschaft.

Gegen diesen Abwärtstrend sind dagegen wöchentlich erscheinende Magazine ohne den Schwerpunkt Wirtschaft immun. So hat der Spiegel Ende 2001 seine Auflage im Vorjahresvergleich um beträchtliche zehn Prozent gesteigert. Damit hat das Nachrichtenmagazin den Stern überflügelt. Beide Hamburger Hochglanzillustrierten werden in einer Auflage von über einer Million verlegt. Das Informationsbedürfnis nach dem 11. September spiegelt sich darin wieder. Dahinter liegt der Focus mit einer Dreiviertelmillion Exemplare pro Woche.

Die Woche war nicht das letzte Opfer auf dem stagnierenden Zeitschriftenmarkt in Deutschland. Geld verdienen viele Verlage ohnehin meistens im Ausland. Statt die Woche zu übernehmen, expandiert die WAZ-Gruppe zum Beispiel nach Osten. Angeblich will sie sich auch die österreichische Kronen Zeitung vollständig aneignen. Diese täglich erscheinende Boulevardzeitung ist die wichtigste Zeitschrift in der Alpenrepublik. Sie beherrscht den halben Zeitungsmarkt und gehört schon heute zu fünfzig Prozent der WAZ. Der politische Einfluß der Krone hat die ÖVP/FPÖ-Regierung überhaupt erst möglich gemacht. Jahrelang zollte sie Jörg Haider Beifall und ebnete ihm den Weg an die Macht. Als der Stern des Kärntners zu sinken begann, sagte sich die Kronen Zeitung allerdings von ihm los.

Die WAZ-Gruppe wird diese Trendwende mit initiiert haben. Aber die Hingabe an die politische Korrektheit ist bei den Eigentümern noch nicht intensiv genug. Die Kronen Zeitung mobilisierte nämlich den Widerstand gegen das tschechische Atomkraftwerk Temelin. WAZ-Chef Erich Schumann kritisierte vermeintliche Ressentiments, die dadurch geschürt würden. Wie auch hinsichtlich der Woche prägen eben wirtschaftliche Interessen den Zeitschriftenmarkt.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen