© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/02 08. März 2002

 
Meldungen

Islam: Ungeschminkte Betrachtung

MÜNCHEN. Seit einem halben Jahr fühlen sich alle möglichen „Experten“ aufgefordert, ihre Einschätzung über den Islam zu verbreiten: Die einen beschwören die Harmlosigkeit und Toleranz dieser Religion, andere warnen vor dessen „Fundamentalismus“. Auch die Hanns-Seidel-Stiftung hat sich des brisanten Themas angenommen und in ihrer Schriftenreihe aktuelle analyse (Nr. 26) diverse Aspekte des islamischen Glaubens untersucht. Im Vorwort erklären Rainer Glagow und Reinhard Meier-Walser die Notwendigkeit, die „ungeprüften Illusionen“ kritisch zu begutachten. „Fragen nach den Inhalten und Konsequenzen der islamischen Lehre wurden nicht immer gerne beantwortet, mußten sie doch auch zu unbequemen Antworten führen“ und „öffentliche Sprachregelungen“ hätten die Diskussion in „politisch korrekte Bahnen leiten“ sollen, so die Bestandsaufnahe. Tilman Nagel, Peter Münch-Heubner, Hans-Peter Raddatz, Berndt Georg Thamm und Klaus Lange präsentieren auf 118 Seiten eine profunde und abgeklärte Analyse; wer mitreden will, sollte die Broschüre, die von der Stiftung kostenlos verschickt wird, lesen.

 

Nach dem 11. September: Öffnung der Märkte

LONDON. Ein Zentralorgan der US-amerikanischen Politikwissenschaft, die Foreign Affairs (FA), verstehen sich seit dem 11. September 2001 offenbar nur noch als Sprachrohr des Pentagon. Während andere Zeitschriften von internationaler Bedeutung kritisch über die Hintergründe der US-Intervention in Afghanistan berichten (so etwa V. K. Shashikumar über die „Ölgeheimnisse“ dieses Krieges in: Peace Research, 2/01 oder Michael Mann über die sozialen Ursachen des Anti-Globalismus in: New Left Review, 12/01), reduzieren die FA-Autoren auf ein rüstungspolitisch zu lösendes Sicherheitsproblem. David Dollar und Aart Kraay empfehlen als Patentrezept gegen antiglobalistische „Widerstände“ eine Forcierung der „Marktöffnung“ für US-Unternehmen.

 

Jugendkultur: Wachsen sinnleerer Räume

BONN. Die Auffassung ist zu revidieren, daß die heutige Jugendgeneration im Land des weltanschaulich-kulturellen Pluralismus in einen weit geöffneten Erfahrungshorizont hineinwächst. Ganz traditionelle Hoffnungen auf Sinnerfüllung, so diagnostiziert der Hildesheimer Sozialwissenschaftler Thomas Köhler, seien immer noch auf „Identität durch Arbeit“ gerichtet (Aus Politik und Zeitgeschichte, B 5/02). Die lasse sich aber immer weniger in adäquate „Berufsbiographien“ umsetzen. Daraus wachse in der leer laufenden Arbeits-, Konsum- und Verbraucherkultur jenes Gefühl des „Zukunftsentzugs“, das nach Köhler so typisch ist für die „rassistische“ Wahrnehmung einer Verengung des „Lebensraums“.

 

Wissenschaftspolitik im Kalten Krieg

POTSDAM. Mit den DDR-Kritikern der „imperialistischen Ostforschung der BRD“ beschäftigt sich der Potsdamer Zeithistoriker Christoph Kleßmann. Dieses „Kapitel deutscher Wissenschaftsgeschichte im Kalten Krieg“ (Deutschland-Archiv, 1-2/02) gehört zur Debatte über die politische Rolle der deutschen Geschichtswissenschaft im Dritten Reich und deren fachinterne „Nicht-Bewältigung“ nach 1945 (JF 6/02). Kleßmann informiert über die geschichtspolitischen Ziele der SED-gesteuerten Kampagnen gegen westdeutsche Ostforscher und sieht in ihren „berechtigten“ Fragestellungen „wissenschaftliche Substanz“ - was nicht verwunderlich ist, war doch Kleßmanns, vor 1989 publizierter Beitrag zur Geschichte der Osteuropaforschung den Erklärungsrastern der DDR-Kollegen verpflichtet.


 
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