© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/02 08. März 2002

 
Ganz ruhig bleiben
Medien leben von der Sensation - gute Berichterstattung bleibt trotzdem sachlich
Lothar Höbelt

Die USA haben aus ihrer doch ziemlich langen Tradition, Verwicklungen außerhalb ihrer Hemisphäre zu vermeiden, den Impuls geerbt, jede außenpolitische Maßnahme dem heimischen Publikum als moralischen Imperativ zu präsentieren. Das wirkt auf auswärtige Beobachter zwangsläufig naiv bis heuchlerisch; ebenso naiv und heuchlerisch wäre es, bloß dagegen zu polemisieren, daß sich die USA nicht an diese Maßstäbe halten, von denen wir ohnehin wissen, daß sie unrealistisch sind. Wer „Neue Weltordnungen“, wie sie im Dutzend billiger angeboten werden, tatsächlich ernst nimmt, ist selbst schuld. Außenpolitik ist eben keine Sache der Literaturkritik. Dafür können sie bloß Adepten von Diskurstheorie und ähnlichem gesunkenen „Kultur“-Gut der Frankfurter Schule halten; die aber haben in einer „rechten“ Zeitung nichts verloren.

Für Anhänger der Realpolitik kann es sich bloß darum handeln, die Propagandawalzen aller Seiten mit der ihnen gebührenden Verachtung zu strafen und zu versuchen, festzustellen „wie es eigentlich gewesen ist“. Das ist - zugegebenermaßen - nicht immer leicht, denn oft verbirgt sich hinter all den Wortkaskaden gähnende Leere an tatsächlichen Informationen; die Wahrheit ist im Krieg in der Regel das erste Opfer, und im Wahlkampf auch. Am besten schützt man sich da vor Blamagen, wenn man Ereignisse kommentiert, sobald sie nach bestem Wissen und Gewissen auch wirklich eingetreten sind, und nicht Pläne, Gerüchte über Pläne oder gar Geheimpläne, die so geheim sind, daß sie einem gelangweilte Jungendliche übers Internet anbieten.

Kommen wir zur Bewertung: Ob eine Maßnahme zweckmäßig ist oder nicht, läßt sich natürlich nur von einem bestimmten Standpunkt aus beurteilen. Gerade eine nonkonforme Zeitung wird sich doch nicht der Illusion der etablierten Medien hingeben, daß Kriege vom Standpunkt einer universellen abstrakten Moral aus zu beurteilen und in „gute“ und „schlechte“ einzuteilen seien. Journalisten, die sich derart als Beisitzer des Jüngsten Gerichts gerieren, verfallen der wohlverdienten Lächerlichkeit.

Gehen wir diese Standpunkte der Reihe nach durch: Deutsche Interessen sind in einer Auseinandersetzung in Zentralasien (und selbst im sogenannten Nahen Osten) nur sehr am Rande betroffen. Profitiert hat davon Rußland - aber auch das ist nicht mehr so kritisch wie noch vor einem Dutzend Jahren. Als Teil der reichen „Ersten Welt“ hat Deutschland zweifellos ein gewisses Interesse daran, aufmüpfige Dritt-Welt-Potentaten in Schach zu halten, ohne deshalb gleich in Paranoia zu verfallen. Vom konservativen Standpunkt aus schlägt wohl eher positiv zu Buche, daß sich ein rechter Präsident in den USA innenpolitisch festigen konnte; vom orthodox-liberalen wäre zu kritisieren, daß er dies um den Preis einer Schuldenpolitik in „bester“ keynesianischen Tradition tut (aber das ist Schröder ohne alle Ausreden ja auch gelungen). Vorsicht ist allenfalls geboten, daß nicht weltweit die Finanzbehörden den Kampf gegen die Terror-Paten zum willkommenen Vorwand für den Großangriff auf die Sparstrümpfe benutzen. Bleibt das Fazit, daß das Ausmaß der Aufregung durch die Fakten - soweit wir sie kennen - nicht gedeckt ist.

Nun gebe ich gerne zu, daß Unaufgeregtheit für ein Medium nicht unbedingt ein Verkaufsschlager ist. Zeitungen leben von Neuigkeiten, auch und gerade dann, wenn - was Konservative in der Regel ja freut - alles beim alten geblieben ist. Konsequenz ist zwar die einzige intellektuelle Tugend, aber wie viele Tugenden bleibt sie - zumindest in dieser Welt - unbelohnt. Sobald die Rede auf „die Amis“ oder das Nahost-Problem kommt, birst ein gewisser Teil der Leserschaft in allen Ecken des politischen Spektrums förmlich vor Meinung und Moral. Aber das ist ein Teil des Problems, nicht der Lösung.

 

Prof. Dr. Lothar Höbelt lehrt Neuere und Neuste Geschichte an der Universität Wien.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen