© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/02 01. März 2002

 
Neue Technologien: Unnatürliche Auslese
Designer-Baby als Ersatzteillager
Angelika Willig

Ein hübscher, aufgeweckter Dreijähriger turnt vor der Kamera herum. Doch der Schein trügt. Dieser Junge ist todkrank und wird demnächst nur noch als Foto auf dem Kamin seiner britischen Eltern existieren - wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Das Wunder ist letzte Woche genehmigt worden. Viele sagen allerdings, daß es dabei eher mit dem Teufel zugeht.

Das Kind leidet an einer seltenen Blutkrankheit und ist nur zu retten durch eine Transplantation des Rückenmarks, wo das Blut gebildet wird. Dazu ist aber ein genetisch passender Spender vonnöten. Oft sind das die Geschwister - in diesem Fall „passen“ sie nicht. Daher soll durch künstliche Befruchtung ein Geschwisterchen mit dem richtigen Gen produziert werden. Dazu müssen die entstandenen Embryonen untersucht und nach dem gewünschten Merkmal selektiert werden. Der „Sieger“ kommt dann in die Gebärmutter. Ist das Kind geboren, gibt seine Nabelschnur gleich die benötigten Zellen her. Was aber passiert mit dem Baby, das hier gleichsam als Abfallprodukt der Therapie eines anderen entstanden ist? Getötet kann es nicht werden, schon deshalb nicht, weil vielleicht einmal wieder Bedarf an Knochenmark entsteht. Es soll also aus seiner wunderlichen Existenz das Beste machen. Schließlich gibt es ja genug Kinder, die ihr Dasein nur der Faschingszeit oder einem feuchtfröhlichen Betriebsfest verdanken - und darum auch nicht an sich zweifeln. Statt eins zu verlieren, hat die Familie nun ein Kind gewonnen. Klingt doch gar nicht schlecht. Ganz ohne Opfer verfährt die Technik aber selten. Was gegen die Präimplantationsdiagnostik schon vorgebracht wurde, gilt hier in verschärfter Form. Es wird nicht mehr der fehlerhafte, sprich behinderte Embryo ausgesondert, vielmehr umgekehrt nach einem positiven Merkmal gesucht. Das ist Auslese und könnte nahtlos übergehen in eine Suche nach blauen Augen oder einer schönen Singstimme. Auch solche Wünsche ließen sich ethisch rechtfertigen. Denn wenn der Mensch ein Recht auf Gesundheit hat, warum nicht auch ein Recht auf Schönheit? Wem schadet es?, argumentieren die Verteidiger. Den ausgemusterten Embryonen drohen das Einfrieren und die Wiederverwendung als Stammzellen für fremde Herzen oder Gehirne - auch als Import nach Deutschland. Man darf dem Teufel eben nicht den kleinen Finger reichen. In Großbritannien ist die PID im Hinblick auf Erbkrankheiten erlaubt. Für diesen Sonderfall allerdings bedarf es einer Sondergenehmigung. Die ist in der letzten Woche erteilt worden. Bei einer Ablehnung, erklären die Eltern, wären sie in die USA gegangen, wo das Verfahren schon beinahe Routine ist. Auch aus dem Vorwurf „Designer-Baby“ machen sie sich nicht viel: „Wenn es Designer-Baby heißt, weil es seinem Bruder das Leben rettet, dann soll es unseretwegen so heißen.“


 
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