© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/02 01. März 2002

 
CD: Klassik
Drei Leckerbissen
Walter Thomas Heyn

Unter dem Titel „Orgeln im Hannoversch Mündener Land“ ist eine bemerkenswerte Produktion bei Querstand (ein Label des Verlages Klaus-Jürgen Kamprader) erschienen. Denn der Orgelbau dieser Region am Ursprung der Weser besaß in der Vergangenheit eine eigene starke Ausprägung. Technisch hervorragende Aufnahmen, entstanden in der St. Martinikirche Dransfeld, St. Marienkirche zu Hemeln, St. Marienkirche zu Gimte und St. Michaelskirche zu Varlosen, werden von einem ausführlichen Booklet begleitet, das die Orgeldispositionen und die verwendeten Register penibel auflistet. Ein Leckerbissen ist aber vor allem der musikalische Inhalt. Denn mit Felix Friedrich, dem kultivierten Schloßorganisten an der Altenburger Trost-Orgel aus dem Jahre 1739 und Bernd Bartels, seit 1995 erster Trompeter bei den „Leipziger Blechbläsersolisten“ sowie Mitglied des Blechbläserensembles am Gewandhausorchester Leipzig fanden sich zwei brillante Interpreten. Die eingespielten Werke von Händel, und Bach, Johann Peter Kellner, Pietro Baldassare, Christian Heinrich Rinck und Georg Philipp Telemann sind alle von hoher interpretatorischer Qualität und geben dem barocken Kanon von jubelnder Lebensfreude und „Gotteslob“ musikalisch überzeugende Gestalt. Insbesondere die vielen kleinen Noten, Triller und Verzierungen gelingen Bernd Bartels in überzeugender Weise. Die von Felix Friedrich gewählten zweckdienlichen und unambitionierten Registraturen unterstützen sein makelloses und kluges Orgelspiel. Heiße Empfehlung!

Istvan Horvath-Thomas, einem in Schwäbisch Gmünd lebenden ungarischen Pianisten und Komponisten verdanken wir eine „Anthologie unbekannter Klaviermusik“ (Kreuzberg records, Ama-Verlag, Wesselinger Straße 2-8, 50321 Brühl), die die „Variations de bravoure sur des Themes de Paganini“ von Franz Liszt, etliche Mazurkas, Polkas, Polonaisen und zwei Feuille d’Album von Nicolas Rubinstein sowie die „Canonischen Veränderungen über hebräische Themen“ und das Stück „Orion-Nebel“ (für die linke Hand) aus der Feder des Interpreten enthalten. Horvath-Thomas pflegt einen anti-sentimentalen, eher trockenen Klavierstil, bei dem die brillanten Strukturen der ausgewählten Stücke gut zur Geltung kommen, die leicht sentimentalen Elemente der Rubinstein-Piecen aber ein bißchen unterbelichtet lassen. Die virtuosen, an Bartok orientierten „Canonischen Veränderungen“ wurden von Frank-Thomas Mitschke und Gabriele Mitschke eingespielt, die im Finale des Stückes von der Cellistin Monika Jung unterstützt werden.

Vom Dufay-Ensemble Nürnberg (c/o Wolfgang Fulda, Berliner Platz 10 / 90 489 Nürnberg) ist eine CD erschienen, die einen kühnen Spagat zwischen mittelalterlichen Chorsätzen und avancierter Musik der Gegenwart wagt und dabei nicht abstürzt. Das Ensemble widmet sich seit 1995 der Musik des 14. bis 16. Jahrhunderts und kontrastiert dieses Programm mit Werken der Neuen Musik. Bei drei bis vier Produktionen pro Jahr arbeiten unter der Leitung von Wolfgang Fulda ambitionierte Laien und Berufsmusiker bei zahlreichen Konzerten, Performances und Rundfunkaufnahmen überregional zusammen. Die CD spiegelt die Philosophie des außergewöhnlichen Ensembles perfekt wieder. Zwischen sauberen und meditativ vorgetragenen Vokalsätzen von Guillaume Dufay und Josquin Desprez sind ambitionierte instrumentale Werke von Alan Fabian, Luigi Nono, Johannes Menke, Wolfgang Fulda und Mathias Spahlinger in bemerkenswerter Qualität zu hören. Und: Die ständige Mischung von Musik des 14. und des 20. Jahrhunderts erzeugt einen intensiven Sog gegenseitiger Bespiegelung und Kommentierung. Außergewöhnlich gut!


 
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