© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/02 01. März 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Europaweites Erinnern
Carl Gustaf Ströhm

Manchmal scheint die historische Erinnerung im Schlaf des Vergessenen zu ruhen - doch plötzlich ist sie wieder da, bestimmt unser Leben und beherrscht die öffentliche Diskussion. In diesem Frühjahr wird nicht nur in Deutschland und Österreich das verdrängte Thema der Vertreibung und der letzten Monate des damals deutschen Ostens wieder lebendig: die sudetendeutsche Frage, die Benes-Dekrete, der Untergang der „Gustloff“.

Zur gleichen Zeit klopft auch in anderen europäischen Nationen - vor allem in jenen, die schicksalhaft mit den Deutschen verbunden waren, die Geschichte an die Tore. In Budapest wurde letztes Wochenende im ehemaligen Gebäude der Staatssicherheit (ÁVO, später AVH) in der Budapester Andrássy út ein Museum über die kommunistische Gewaltherrschaft, die Deportationen in das Gulag-System und die brutalen Verhörmethoden von damals eröffnet.

In der Woche vorher wurde vom Verband ehemaliger politischer Häftlinge in Zagreb eine Dokumentation unter dem Titel „Der kroatische Holocaust - Dokumente und Zeugnisse über die Nachkriegs-Abschlachtungen in Jugoslawien“ veröffentlicht. Einer der Herausgeber, der Amerikaner kroatischer Abstammung John Ivan Prcela, schreibt in seiner Einleitung: „Die Überschrift ‚kroatischer Holocaust‘ ist angemessen wegen der erschreckenden Grausamkeiten, welche die Jugo-Partisanen und Serbo-Kommunisten gegen Hunderttausende kroatischer Opfer anwandten. Sie ermordeten sie mittels Gewehrkugeln und stumpfen Gegenständen, sie ermordeten sie mit scharfen Messern, mit tödlichen Injektionen und Mistgabeln … sie schlugen sie ans Kreuz und warfen zahllose Opfer lebendig in tiefe Höhlen und Flüsse … Sie ermordeten Mütter während der Geburtswehen und liquidierten die Neugeborenen. Sie ermordeten die Verwundeten und die frisch einberufenen Rekruten … Sie ermordeten kroatische Journalisten und Professoren.“

In der Dokumentation findet sich auch das Zeugnis des ehemaligen US-Generalmajors Charles A. Willoughby, der schreibt: „Sobald Tito die Macht übernommen hatte, wurden im ganzen Land (Jugoslawien) Konzentrations- und Gefangenenlager errichtet. Hunderttausende Bürger jedes Alters, Geschlechts und Berufs wurden eingesperrt, gefoltert und schließlich liquidiert ... Kroatien wurde ein riesiges Massengrab ...“

Das kroatische Holocaust-Buch berichtet über das Abschlachten mehrerer tausend kroatischer und deutscher Schwerstverwundeter, die - da nicht transportfähig - beim Rückzug in Krankenhäusern von Sarajevo und Zagreb zurückgelassen und allesamt von den Partisanen umgebracht wurden.

Der Zagreber katholische Erzbischof und spätere Kardinal Stepinac (der dann von den Kommunisten zu langjähriger Freiheitsstrafe verurteilt, in der Verbannung starb) sagte zu einem kroatischen General, der sich vor dem Rückzug verabschiedete: „Ich gebe Ihnen meinen Segen. Gehen Sie im Namen Gottes … aber ergeben Sie sich nicht! Was jene betrifft, die sich (den Partisanen) ergeben, sollten Sie keine Illusionen über deren Schicksal haben.“

Die Dokumentation spricht von Hunderttausenden von Ermordeten, von „Todesmärschen“ und Massenliquidierungen. Der britisch-amerikanischen und sozialistischen Propaganda sei es gelungen, „alle Länder zu täuschen“, heißt es im Buch. „Die Briten und Amerikaner wollten die Umstände nicht offenlegen, die 1945 solch tragische Resultate für die Kroaten und andere mitteleuropäische Völker hatten.“


 
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