© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/02 22. Februar 2002

 
CD: Jazz
Gemischtes
Michael Wiesberg

Dem 1991 verstorbenen US-amerikanischen Ausnahmetrompeter Miles Davis umgibt heute die Aura des Unantastbaren. Sein problematischer Charakter wird in der Regel den „Widersprüchen“ (J.E. Behrendt) zugeschlagen, die einem Genie eigen sein sollen. Sagen wir es deutlich: Davis war ein arroganter Selbstdarsteller, der auf dem Gipfel seines Ruhms mit dem Rücken zum Publikum spielte und seine Bühnenarbeiter schon einmal auf offener Bühne verprügelte. „Die Leute sagen, ich bin arrogant“, erklärte Davis in einem Interview. „Aber wenn ich jemanden nicht mag, dann mag ich ihn eben nicht.“ Das FAZ-Magazin kam 1983 in einer großen Titel-Geschichte zu ganz anderen Ergebnissen: „Aus der Tatsache, daß Davis nicht aus dem Ghetto kam, daß der Aktienbesitzer nie ums Überleben spielen mußte, mag sich die souveräne Arroganz herleiten.“.

In selbstverliebter Doppeldeutigkeit nannte Davis seine Aufnahmen schon früh „Milestones“ oder auch „Miles Ahead“. Dennoch: was bleibt ist die ungeheure Faszination, die von Miles Davis’ Musik ausgeht. Titel wie „Kind Of Blue“, „In A Silent Way“, „Walkin“, „Steamin“, „Cookin“, „Relaxin“ und auch „Blue Haze“ sind Chiffren, die nicht mehr eigens erläutert werden müssen. Letztere Aufnahme, nämlich das 1954 eingespielte Quintett-Album „Blue Haze“, ist bei dem Merenburger Musikverlag ZYX-Music in einer Neuaufnahme erschienen. Ein Muß für alle Miles-Davis-Enthusiasten. Etwa ein Jahr später als „Blue Haze“ ist Milt Jacksons „Milt Jackson Quartet“ entstanden, dessen Neueinspielung ebenfalls bei ZYX-Music erschienen ist. Milt Jackson, geboren am 1. Januar 1923 in Detroit, lernte als Kind zunächst Gitarre, erhielt Privatstunden am Klavier, absolvierte eine Musik-Ausbildung und kam als Mitglied der Schulband mit dem Xylophon in Berührung. Die Musik von Lionel Hampton wird für Jackson zum Wendepunkt. Nach der Entlassung aus der US-Army war Jackson kurze Zeit Mitglied des Dizzy-Gillespie-Quintetts. Auf Tourneen trägt der Vibraphonist mit dazu bei, den Bebop populär zu machen, sammelt nach dem Ausscheiden aus der Band weitere Erfahrungen bei Thelonious Monk und Woody Herman und macht bereits 1947 als Sieger in der Sparte „New Star“ des US-Magazins Esquire nachhaltig auf sich aufmerksam. Ende der vierziger kehrt Jackson zurück zu Dizzy Gillespie, der mittlerweile eine Big Band leitet, und trifft dort mit dem Pianisten John Lewis, dem Bassisten Percy Heath und dem Schlagzeuger Kenny Clarke mit jener Rhythmus-Gruppe zusammen, die zur Keimzelle dessen wird, was wenige Monate danach in die Legende „Modern Jazz Quartett“ münden sollte. Diese Besetzung, sieht man von Percy Heath ab, ist auf dem Album „Milt Jackson Quartett“ allerdings nicht zu hören. Statt dessen mischen der Pianist Horace Silver und der Schlagzeuger Connie Kay mit. Das Album verdeutlicht einmal mehr, daß Jackson mehr war als nur ein Vibraphonist. „Sein einzigartiger Stil verfügt über Härte und Sanftheit, Härte bei seinen muskulösen Exkursionen in den Blues und Sanftheit in seinen Balladen, und beide sind stets beherrscht von Durchsichtigkeit, Offenheit und Tiefe“, hatte Kritiker Ira Gitler Jackson schon 1952 bescheinigt. Davon zeugt auch das Album „Milt Jackson Quartett“.

„Winter Moon“, ein Album des Altsaxophonisten Art Pepper, das dieser in Zusammenarbeit mit einem von Nate Rubin geleiteten Streichorchester knapp zwei Jahre vor seinem Tod im September 1980 einspielte, wird ebenfalls von ZYX-Records vertrieben. Auch dieses Album belegt, was der Kritiker John Howard feststellte: Peppers Spiel sei „eine eigentümliche, doch äußerst anziehende Mischung aus Innigkeit, Einsamkeit, Spontaneität, Eindringlichkeit und rigoroser Gefühlskraft, die manchmal beinahe übersteigert wirken könnte“.


 
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