© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/02 22. Februar 2002

 
Der Zweck rechtfertigt nicht die Mittel
Carl Zuckmayers Spitzelberichte für einen US-Geheimdienst hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack
Richard Stoltz

Einiges Aufsehen haben jene Berichte erregt, die Carl Zuckmayer in den Jahren 1943/44 in den USA für den dortigen Geheimdienst über deutsche Schriftsteller und Künstler verfaßt hat und die demnächst als Buch herauskommen. Die Niederlage des Reiches zeichnete sich damals ab, und der US-Geheimdienst wollte von Zuckmayer für gutes Geld wissen, wie man mit den deutschen Intellektuellen nach dem Kriege verfahren solle, wer von ihnen in Acht und Bann gehöre und wer für die Umerziehung tauge.

Zuckmayer kannte die meisten der von ihm Charakterisierten persönlich, mit einigen war er befreundet gewesen. Seine Urteile sind differenziert und in vieler Hinsicht aufschlußreich (wenn auch nicht immer gut begründet, oft auf bloßem Hörensagen fußend). Zuckmayer war ein guter Kerl, der geneigt war, von anderen zunächst einmal günstig zu reden. Man erfährt so manches über den Kulturbetrieb im Deutschland der dreißiger und vierziger Jahre, der bei weitem nicht so einförmig und gleichgeschaltet war, wie das heute oft hingestellt wird (JF 5/02).

Eine interessante Lektüre also - und trotzdem bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Denn bei Lichte betrachtet handelt es sich um nichts anderes als um Spitzelberichte zum Nachteil der Betroffenen, so wie sie auch zahllose IMs zu DDR-Zeiten über ihre Bekannten und Freunde bei der Stasi abgeliefert haben. Schon ertönen denn auch Stimmen aus den Reihen der ehemaligen DDR-Intelligenz, zum Beispiel von Werner Mittenzwei, die sagen: „Was haben unsere IMs denn anderes gemacht, als Zuckmayer gemacht hat? Was dem einen recht ist, muß dem anderen billig sein.“

Letztlich gilt auch für Zuckmayer, was nach der Wende für solche Leute wie Hermann Kant oder Bernt Engelmann gegolten hat. Geisteskollegen schwärzt man nicht heimlich an, um sich selber Vorteile zu verschaffen. Kein politisches Lagerdenken und kein „guter Zweck“ entschuldigen das.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen