© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/02 22. Februar 2002

 
Gewinne in der BSE-Krise realisiert
Agrarpolitik: Ernährungs- und ararpolitischer Bericht 2002 der Bundesregierung / „Kritisches Agrarbündnis“ übt Kritik
Volker Kempf

Die Botschaft im „Ernährungs- und agrapolitischen Bericht 2002 der Bundesregierung“ ist klar und deutlich: Den Landwirten geht es immer besser. Denn der durchschnittliche Gewinn je Unternehmen erhöhte sich im Wirtschaftsjahr 2000/2001um 17,7 Prozent, sagt die Statistik. Und die Tendenz für den noch nicht abgeschlossenen Zeitraum 2001/2002 gehe in eine ebensolche Richtung. Dies alles trotz der BSE-Krise.

Wie das kommt, darüber gibt der besagte Agrarbericht Auskunft: „Diese positive Entwicklung ist vor allem auf die deutlich gestiegenen Erzeugerpreise bei Milch und Schweinen zurückzuführen. Die höheren Einnahmen in diesen Produktbereichen konnten die Erlöseeinbußen bei Rindern durch den BSE-bedintgten Preiseinbruch wett machen.“ Von „wett machen“ zu sprechen ist dabei allerdings etwas untertrieben. Denn die Gewinnzahlen zeigen schließlich gerade, daß die durch BSE verursachten Produktionsausfälle mehr als nur kompensiert wurden. Zwar ergab sich für die auf Rindermast spezialisierten Futterbaubetriebe ein Gewinnrückgang um 7,5 Prozent. Dafür haben Schweine- und Hühnerfabrikanten im abgeschlossenen Wirtschaftsjahr, also für 2000/2001, allen Grund zum Jubeln. Denn deren Gewinnzuwachs wird im vorliegenden Agrarbericht mit nicht weniger als 88,5 Prozent angegeben.

Des einen Leid ist eben noch immer des anderen Freud. Verschmähten die Kunden einerseits Rindfleisch, weil sie Angst hatten, selbst an Rinderwahnsinn zu erkranken, war ihnen für Geflügel und Schweinefleisch offenbar nichts zu teuer.

Mit Agrarwende war allerdings etwas anderes gemeint, als die Massenvernichtung von Rindviechern und die Verknappung anderer Fleischarten, also ihre Verteuerung. Das weiß auch die Ministerin Renate Künast, weshalb dem hier aufgeschlagenen Kapitel „Positive Einkommensentwicklung der Landwirtschaft seit 1999“ eines über „Öko-Landwirtschaft im Aufwind“ folgt. Hiernach haben nicht nur konventionelle Landwirte letztlich durch die BSE-Krise gut verdient, sondern auch die alternativ wirtschaftenden Bauern.

Doch „im Vergleich mit einer Gruppe konventioneller Betriebe liegen die Einkommen in den ausgewerteten Öko-Betrieben niedriger.“ Schließlich werde dort nicht so viel Masse produziert. So lohnt es sich offenbar noch immer weit mehr, konventionell zu wirtschaften, als alternativ, lautet die versteckte Botschaft. Man kann es aber auch positiv formulieren: Zum Öko-Bauer-Dasein gehört zwar noch immer eine Portion Idealismus, doch die Rentabilität bessert sich. So kam der Öko-Landbau im zurückliegenden Wirtschaftsjahr zu einem gestiegenen Gesamt-Agrarflächenanteil in Deutschland, nämlich von 2,6 Prozent auf 3,2 Prozent. Eine Agrarwende ist auch das noch immer nicht. Dafür steht schließlich die Zahl 20, nämlich 20 Prozent Öko-Lanbau in Deutschland bis 2010. Da es bis 2010 noch weit hin ist, widmet sich der Agrarbericht des weiteren auch den Zukunftsvorhaben. Dabei erscheint es allerdings fraglich, ob die Zielmarke „20“ realistisch erscheint oder eher politisch gemeint ist, um vielleicht wenigstens die Hälfte zu erreichen.

Einen klaren Zielfahrplan gibt es nämlich nicht, sondern nur den unsicheren Faktor Verbraucher, der dazu gebracht werden soll, mehr Geld für Qualität zu bezahlen: „Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen eine hohe Qualität der Lebensmittel. Immer mehr Menschen entscheiden sich bewußt für Lebensmittel, die aus umweltgerechten Wirtschaftsweisen und tiergerechten Haltungsformen stammen. Die Agrarpolitik der Bundesregierung zielt darauf ab, umwelt- und tiergerechte Erzeugung voranzubringen und damit die Bereitschaft der Verbraucher zu nutzen und zu erhöhen, sich für Qualität zu entscheiden und dafür auch mehr Geld auszugeben.“ Was hier in einen langen Satz gepackt wird, kann man auch kürzer sagen: „Seid so idealistisch und greift für Ökoprodukte bitte etwas tiefer in die Tasche; ansonsten wird es nichts mit der Agrarwende.“ Das ist dann auch der Punkt, an dem Franz Alt in seinem Buch „Argarwende jetzt“ ansetzt, wenn er eine Agrarreform fordert, mit der Öko-Landbau-Produkte eben nicht teurer sind als konventionelle landwirtschaftliche Produkte (siehe JF 8/02, Beitrag „Kulturrevolution in der Landwirtschaft)“. Diesem hier aufgeworfenen Problem ist man sich bei der rot-grünen Bundesregierung durchaus bewußt und verspricht, sich in Brüssel für Besserung einzusetzen, wohlwissend, daß das nur mäßigen Erfolg haben wird oder haben soll. Denn es wird ausdrücklich betont, daß konventionelle und ökologische Landwirtschaft beide ihren Platz in Deutschland hätten, also ohnehin nur ein bischen Agrarwende angesagt sei.

Aber parteipolitisch gebundene Papiere waren selten präzise, schon gar nicht, wenn unterschiedliche wirtschaftliche Interessen in die Thematik hineinspielen. Wer sich aber dennoch für das prinzipiell Machbare interessiert, greift besser zum „Kritischen Agrarbericht“, der vom „AgrarBündnis e.V.“ herausgegeben wird. Dieser verdeutlicht, daß Renate Künast zwar erkannt habe, daß für die Agrarwende so unterschiedliche Gruppen wie Verbraucher, Landwirte und Politiker, die Futtermittelindustrie, Lebensmittelindustrie und der Einzelhandel zusammenwirken müssen.

Doch gerade diese Interessenkonstellation mache deutlich, wie wichtig ein betont unabhängiges Forum wie der „Kritische Agrarbericht“ sei, um ohne Rücksicht auf besagte Interessengruppen sagen zu können, was Sache ist, was politisch wirklich geschehen muß - und gerade deshalb nicht im „Ernährungs- und agrarpolitischen Bericht 2002 der Bundesregierung“ steht.

Landwirtschaft 2002 - der kritische Agrarbericht. ABL Verlag, Bahnhofstr. 31, 39065 Hamm, 328 Seiten, 19,80 Euro.


 
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