© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/02 22. Februar 2002

 
David Blunkett
An der Heimatfront
von Catherine Owerman

Das nennt man Arbeitsteilung: Tony Blair will die Welt retten, bereist deshalb Afrika, die „Narbe auf dem Gewissen der Menschheit“ (Blair), und speist die dort Hungernden mit salbungsvollen Worten. Derweil kümmert sich David Blunkett, sein Innenminister, an der Heimatfront um ganz andere Narben: Ihm geht es um Bradford, Oldham und all die anderen Brennpunkte ethnischer Gewalt. Blunkett hat erkannt, daß sich das explosive Thema der „Rassenbeziehungen“ nicht länger mit Multikulti-Reden überdecken läßt. Seit der Untersuchungsbericht zu den Ursachen der nordenglischen Rassenunruhen vor „asiatischen Parallelwelten“ warnte, in denen ein entwurzeltes Jugendproletariat heranwachse, stellt Blunkett die Gretchenfrage nach der britischen „Leitkultur“. In einem vergangene Woche präsentierten Thesenpapier fordert der Innenminister Maßnahmen zur Eindämmung der illegalen Einwanderung. Zudem regt er verpflichtende Englischkurse und Integrationstests für Einwanderer an sowie eine feierliche Einbürgerungszeremonie. In deren Rahmen sollen Neubürger ihre Treue zum Staatsoberhaupt, der Königin, und Respekt für die britischen Gesetze geloben. Aus den Reihen der zahlreichen Rassismuskomitees gab es einen Aufschrei. Ein Eid für Einwanderer, wie er auch in den USA üblich ist, sei „unerträglich“, bekam der Innenminister zu hören. Und Blunketts Einwände gegen „arrangierte“ Hochzeiten unter Asiaten seien „rassistisch“. Der Angegriffene wehrte sich, er werde nicht den Mund halten, nur weil sich Schwarze oder Asiaten ärgern könnten. Er sprach gar von „umgekehrtem Rassismus“.

Vor allem in der Arbeiterschaft ist der Innenminister wegen seiner Offenheit überaus beliebt. Seine persönliche Lebensleistung nötigt Respekt ab. Blunkett wurde 1947 in einfachsten Verhältnisse geboren. Wegen einer Augenkrankheit erblindete er in frühester Kindheit. „Wenn der Vater bei einem Arbeitsunfall getötet wird, der Großvater im Pflegeheim die Treppe herunterfällt, die Mutter Brustkrebs hat und man 16 Jahre alt und ohne große Qualifikation ist, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man stürzt ab, oder man kämpft sich eisern nach oben“, erinnert sich Blunkett. Seine Karriere zeugt von einer ungeheuren Zähigkeit: Nach Blindenschule, Blindenkolleg und Universität arbeitete er als Lehrer. 1987 wurde er Parlamentsabgeordneter für den Wahlkreis Sheffield und bald darauf Schattenminister. Seit dem Wahlsieg von Labour 1997 führte der Vater dreier Söhne das Bildungsministerium, und im vergangenen Juni löste er Jack Straw als Innenminister ab.

Bei der nächsten Wahl möchte Tony Blair nicht mehr antreten. Seine wohltätigen Reisen in ferne Länder deuten manche politische Beobachter als Vorbereitung eines Karrieresprungs auf die internationale Ebene. Wenn aber Blair dann ausschließlich die Welt zu retten versucht, könnte in Großbritannien die große Stunde des David Blunkett schlagen.


 
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