© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/02 22. Februar 2002


LOCKERUNGSÜBUNGEN
Sexualkompetenz
Karl Heinzen

Colin Powell ist das Dauerproblem der Regierung Bush. Es mag zwar sein, daß er die Visionen des Präsidenten teilt, doch zeigt er nicht die nötige Härte, wenn es gilt, sie in Handlungsmaximen für all jene umzusetzen, mit denen er qua seines Amtes auf dem internationalen Parkett zu tun hat. Er verkennt, daß das Bündnis der freien Welt jetzt keinen Kompromiß zu finden, sondern einzig und allein einen Konsens zur Kenntnis zu nehmen hat. Durch seine unbedarften Äußerungen liefert er allerdings genau jenen Vorwände, die die Friedenshoffnung der Menschen mißbrauchen, um Obstruktion gegen eine Politik der flexiblen Kriegszielbestimmung zu betreiben. Da das Unrecht jedoch mal hier, mal dort auftreten kann, gibt es zu einer solchen keine Alternative.

Colin Powell mangelt es aber leider nicht nur in der Diplomatie an Rückgrat, er versteht es nicht einmal, simplen Fernsehzuschauern die Stirn zu bieten. Zu Gast bei MTV versuchte er ohne Not und ins Blaue hinein, einer naiven Fragestellerin nach dem Mund zu reden, die als „junge Katholikin“ bloß wissen wollte, was er über die Haltung der Kirche zu Kondomen denke. Mit seiner Antwort, daß er deren Gebrauch - bei allem Respekt für den Heiligen Vater - sexuell aktiven Menschen, die sich vor Infektionen schützen müssen, sogar dringend empfehle, verunsicherte er nun einmal nicht bloß das Ausland, sondern das politische Washington und die amerikanische Öffentlichkeit.

Ari Fleischer, der Pressesprecher des Weißen Hauses, versuchte zwar in einer Pressekonferenz dahingehend abzuwiegeln, daß Powell lediglich jenen Menschen die Benutzung von Kondomen angeraten habe, die sowieso schon sexuell aktiv seien, ansonsten aber zu der Linie seiner Regierung stehe, die auf eine Erziehung des sexuellen Verzichts poche und eine Politik der außerehelichen Enthaltsamkeit verfolge. Die Zweifel an der Sexualkompetenz von Powell lassen sich damit aber nicht aus der Welt schaffen. Sie wiegen um so schwerer, als er damit auch preisgibt, daß er den philosophischen Hintergrund der amerikanischen Politik nicht kennt. Sie beherzigt nichts anderes als die Auffassung Pascals, daß ein Großteil des menschlichen Unglücks daher rühre, daß zu wenige verstünden, ruhig in ihrem Zimmer zu bleiben. Durch eine neue Arbeitsteilung soll dies endlich anders werden. Mehr und mehr amerikanischen Jugendlichen ist es durch zunehmendes Körpergewicht und wachsenden Fernsehkonsum verwehrt, Straftaten zu begehen und Sexualkontakte zu knüpfen.

Wer sich dieser Disziplin nicht unterwirft, hat bei explodierendem Wehretat die Gelegenheit, als Angehöriger der Streitkräfte nicht bloß ein gesellschaftsunschädliches Leben zu führen, sondern zur Erschließung von Ressourcen beizutragen, damit es den Daheimgebliebenen gut gehen kann. Diesen werden dadurch zugleich Programminhalte geboten, die die Verweildauer vor dem Bildschirm steigern. Die Vision einer friedlichen Welt, die das Glück der Menschen respektiert, nimmt Gestalt an.


 
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