© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/02 15. Februar 2002

 
Meldungen

Milzbranderreger: Nichts für Terroristen

HEIDELBERG. Die Bedrohung der USA durch Bioterrorismus ist mehr Phantasma als ein realistisches Szenario. Gestützt auf eine vor dem 11. September 2001 veröffentlichte Studie von Milton Leitenberg (Universität Maryland), meint der Philosoph und Wissenschaftspublizist Ed Regis, daß Fehlalarme und Erpressungsversuche wahrscheinlicher sind als der Einsatz biologischer Kampfstoffe. Allenfalls begrenzte Sabotageversuche auf überschaubarem Terrain oder Anschläge auf Einzelpersonen kämen für Terroristen in Frage. Anders als das US-Militär, das tonnenweise Milzbrandsporen produzieren könnte, verfügten potentielle Attentäter nicht einmal ansatzweise über die Mittel zu einem Masseneinsatz. Regis’ Analyse (Spektrum der Wissenschaft, Heft 1/02) endet mit einer zynischen „Beruhigung“: Auch ein Masseneinsatz von Milzbranderregern biete keine Erfolgsgarantie, denn 1979 seien bei einem Unglück in der Biowaffen-Produktionsanlage Swerdlowsk „nur“ 66 Bewohner ums Leben gekommen, obwohl eine Giftwolke über die 1,2 Millionen Einwohner-Stadt hinweggezogen war.

 

Angriff auf eine multikulturelle Stätte

WIESBADEN.Wenn jemand „Sportsoziologie“ und „Antisemitismus“ als Schwerpunkte seiner Forschungstätigkeit nennt, kann er kaum damit rechnen, als seriöser Wissenschaftler zu gelten. Der anglojüdische Politologe Andrej S. Markovits, Professor in Ann Arbor, muß das gespürt haben,als er sich entschloß, lieber in der New Yorker Presse als „Weltöffentlichkeit“ zu figurieren. Gleichzeitig begann er geistesverwandte europäische Publikationen mit seinen Beiträgen zu überschwemmen, wie zum Beispiel die Gewerkschaftlichen Monatshefte (11-12/01). Für Markovits setzt der Islamismus nur den Antijudaismus der Nationalsozialisten fort und habe auch ein wenig von der „suizidalen Ideologie des japanischen Militarismus“ geerbt. Wie Hitler habe auch bin Laden die USA als jüdische Macht und New York als „multikulturelle Stätte der Menschheit“ treffen wollen. So kann Markovits jede rationale Diskussion über die politischen und ökonomischen Kausalitäten der Attentate als judenfeindlichen Antimodernismus dämonisieren. Das ist eine Vorgabe, der im selben Haft der in Dublin lehrende Soziologe Andreas Heiss folgt, der in seiner Zusammenschau der „intellektuellen Reaktionen“ auf den 11. September „fundamentalistische Globaldenker“ und US-Kritiker wie Arundhati Roy, Jean Beaudrillard, Edward Said, Günter Grass und Noam Chomsky als „Halbgebildete“ diffamiert.

 

Vom Humankapital der alten Griechen

GÖTTINGEN. Die materiellen Bedingungen der kulturellen Entwicklung des „klassischen“ Griechenland seien auch von Bruno Snell, einer Koryphäe unter den Gräzisten des letzten Jahrhunderts, nicht berücksichtigt worden. So lautet die These des Berliner Altphilologen Tilmann Krischer, der sich um eine knappen Skizze über die „treibenden Kräfte der griechischen Kulturentfaltung“ bemüht (Hermes. Zeitschrift für Klassische Philologie, 3/01). Dabei scheint Krischer ganz zu übersehen, daß schon marxistisch orientierte Althistoriker wie der Brite George Thomson, dessen „Forschungen zur Griechischen Gesellschaft“ vor fast fünfzig Jahren erschienen, über den Zusammenhang von Sklaverei, Warentausch und den Ursprüngen wissenschaftlichen Denkens reflektierten. So kann Krischer nur noch einmal aus nicht-marxistischer Sicht herausarbeiten, wie die Griechen ihr „Humankapital“ genutzt haben. Hatten doch in der kargen, vom Seehandel dominierten Inselwelt „Information und Sparsamkeit“ einen so hohen Stellenwert, daß sich mit der „Ökonomie des Denkens“ auch eine philosophische Begabung zur „Abstraktion“ herausgebildet habe.


 
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