© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/02 15. Februar 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Der Aufstand der Plebejer
Carl Gustaf Ströhm

Die „offiziellen“ Fernsehnachrichten boten das gewohnte Bild von Selbstzufriedenheit und Phrasendrescherei: die 15 EU-Außenminister hatten sich wieder einmal - diesmal im bereits frühlingshaften Spanien - versammelt. An das eigentliche Thema aber trauten sie sich nicht ran - und auch die veröffentliche Meinung West-Europas kochte die brisante Geschichte auf Sparflamme.

Es geht darum, daß eine Sensation im sonst betulichen Tümpel der EU zu registrieren ist: die „Euro-Plebejer“ proben den Aufstand gegen die „Euro-Arrivierten“ und gegen die EU-Machthaber. Arm gegen Reich lautet jetzt die Parole im „gemeinsamen europäischen Haus“ - und die Armen: das sind die ost- und mitteleuropäischen EU-Kandidaten. Diese Länder, die sich bisher der herablassenden Behandlung durch Brüssel artig gefügt haben, schrien plötzlich auf, als Brüssel ihnen unmißverständlich erklärte, daß die Armen auch nach dem EU-Beitritt diskriminiert und damit arm bleiben müßten. Zehn Jahre sollen die neuen EU-Länder auf die ihnen an sich zustehenden Agrarsubventionen und sieben Jahre auf die Regionalhilfen weitgehend verzichten.

Am schärfsten protestierte einer der kleinsten, aber wirtschaftlich relativ hoch entwickelten Kandidaten: die Republik Slowenien. Als erstes Regierungsmitglied eines EU-Kandidatenstaates stellte der slowenische Agrarminister Franc But sogar die Möglichkeit eines Nicht-Beitritts (bzw. Austrittes) seines Landes in den Raum: eine in den Augen Brüsseler Eurokraten geradezu herostratische Kühnheit!

Es gebe Grenzen, so der 39jährige Volkspartei-Politiker - nämlich „Grenzen für die Quoten, unterhalb derer wir gegenüber der EU nicht gehen sollten.“ But meinte, die Slowenen sollten sich ausrechnen, „bei wie großen Beschränkungen man lieber in einem Slowenien außerhalb der EU als in einem Slowenien innerhalb der EU leben wolle“. Die führende slowenische Tageszeitung Delo sprach von einer „kalten Dusche“, welche die EU-Kommission dem Land verpaßt habe: nämlich die Mitteilung, „daß wir (Slowenen) lange Zeit in der EU nicht gleichberechtigt sein werden.“ Dies stelle, so das linksliberale Blatt, eine „epochale Neuigkeit“ für „unseren politischen Raum“ (also nicht nur für Slowenien) dar. Bisher, schreibt Delo, hätten sich die slowenischen Regierungsmitglieder gegenüber der EU so verhalten, wie ein Zwanzigjähriger auf die Frage, ob er die Mädchen gern habe.

Doch in Wirklichkeit herrsche zwischen Slowenien und der EU ein Verhältnis wie zwischen Käufer und Verkäufer. „Wenn der Käufer (Slowenien) sich der Grenzen seines Interesses bewußt wird, dann kann er mit dem Verkäufer (EU) einen Preis aushandeln - oder vom Geschäft Abstand nehmen“, so Delo.

Das Laibacher Blatt vermerkt, daß ein EU-Beitritt sehr weitgehende Verpflichungen bedeute. Man könne aber die Interessenkonflikte nicht insgeheim und versteckt in irgendwelchen Staatskanzleien lösen. Wenn man dies tue, werde man später gezwungen sein, diese quälenden Konflikte ständig mitzuschleppen.

Nun könnte man natürlich hochmütig „westlerisch“ fragen: Was bedeutet schon Slowenien? Allerdings - die Slowenen haben schon unter Tito ihre Zähigkeit gegenüber dem (damals Belgrader) Zentralismus bewiesen - und sie sind nicht allein: Auch Ungarns Premier Viktor Orbán machte bei einem Treffen mit dem polnischen Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz in Budapest Front gegen die EU-Agrarvorschläge. Mit Almosen lassen sich die armen Brüder nicht mehr abspeisen.


 
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