© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/02 15. Februar 2002

 
Mit staatlicher Hilfe zur Selbstdemontage
Parteienverbot: Gericht muß Stellungnahme der Antragsteller prüfen / Streit in der NPD spitzt sich zu / Strafanzeige gegen Horst Mahler
Thorsten Thaler

In dem Verbotsverfahren gegen die NPD ist jetzt das Bundesverfassungsgericht wieder am Zug. Die Karlsruher Richter wollen die am Montag abgegebene Stellungnahme von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat zu der V-Mann-Affäre zwar mit besonderer Dringlichkeit bearbeiten. Trotzdem wird sich das Verfahren hinziehen. Vor einer endgültigen Entscheidung über den Fortgang des Prozesses werden die Richter der NPD Gelegenheit geben, sich innerhalb einer mehrwöchigen Frist zu dem knapp vierzig Seiten umfassenden Schriftsatz der Antragsteller zu äußern. Erst danach wird das oberste Gericht abschließend prüfen können, ob der im Oktober vorigen Jahres gefaßte Beschluß, das NPD-Verbotsverfahren überhaupt zu eröffnen, bestehen bleibt, oder ob es die Anträge zurückweist.

In ihrer Stellungnahme an das Gericht verteidigen die Anwälte der Antragsteller die Verbotsanträge. Die V-Leute des Verfassungsschutzes seien nicht von den Behörden zu Taten angeleitet worden, die der NPD zur Last gelegt werden, heißt es. Der Prozeßbevollmächtigte des Bundestages, Günter Frankenberg, erklärte im Berliner InfoRadio, es sei offensichtlich, daß die bisher enttarnten V-Leute in erster Linie für die NPD und nicht für den Verfassungsschutz tätig gewesen seien. Es handele sich also nicht um agents provocateurs. Entscheidend für das weitere Verbotsverfahren sei es, ob die Verfassungsrichter der Argumentation des Schriftsatzes folgten, wonach alle zitierten Erkenntnisse der NPD zurechenbar seien.

Inzwischen sind sechs Verfassungsschutzspitzel bekannt, die in den Verbotsanträgen zitiert werden, darunter der ehemalige NPD-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Udo Holtmann, und sein Stellvertreter Wolfgang Frenz. Nachdem die Spitzeltätigkeit von Frenz, der zu den vom Verfassungsgericht geladenen 14 Auskunftspersonen im NPD-Verbotsverfahren gehörte, öffentlich wurde, hatte der Zweite Senat im Januar die mündlichen Verhandlungstermine abgesagt (JF 5/02).

In den Reihen der Opposition häufen sich unterdessen die Stimmen, die Zweifel am Festhalten an den in Karlsruhe eingereichten Verbotsanträgen anmelden. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz erklärte, es sei zu überlegen, ob der Antrag zum Verbot der NPD zurückgezogen werden sollte. „Um das beurteilen zu können, muß aber erst einmal klar sein, wie viele V-Leute sind unter den Zeugen, was gibt es noch, was wir bisher nicht wissen?“, sagte er der Bild-Zeitung. Der saarlandische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) forderte, Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat sollten darüber nachdenken, „ob nicht ein Ende mit Schrecken besser ist als ein Schrecken ohne Ende“. Auch der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle wiederholte die Forderung seiner Partei, alle drei Verbotsanträge zurückzuziehen. Das Material sei dünn und offenkundig nicht gerichtsfest.

NPD reagiert gereizt auf Vorwürfe gegen Mahler

Die innenpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion, Ulla Jelpke, verlangte, das Netz von V-Leuten in der NPD vor dem Verfassungsgericht und den Klägern „restlos offenzulegen“. Die Klageschrift des Bundestages sei grundlegend zu überarbeiten, alle Zitate und Bezüge zu V-Leuten müßten entfernt werden. „Der Skandal um die V-Leute zeigt einmal mehr: Die Verfassungsschutzämter lassen sich von niemandem kontrollieren und in ihre Karten gucken. Sie sind ein Staat im Staat, ein Fremdkörper in der demokratischen Gesellschaft“, meinte Jelpke.

Kritik an der Stellungnahme der Antragsteller kam auch aus dem Regierungslager. Der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele monierte, der Schriftsatz lasse völlig offen, ob Teile der NPD vom Geheimdienst gesteuert wurden. Nach Auffassung Ströbeles hätte der frühere NPD-Chef in Nordrhein-Westfalen, Holtmann, nie vom Verfassungsschutz angeworben werden dürfen. In seiner herausgehobenen Position habe er wesentlich an der Willensbildung der NPD mitgewirkt. Dies widerspreche eindeutig der Rechtslage und den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts.

Während sich der Streit um die Verbotsanträge zuspitzt, knirscht es auch im Gebälk der NPD. So hat das Parteipräsidium jetzt beschlossen, den ehemaligen Amtsleiter für Politik, Per Lennart Aae, „mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Mitglied des Parteivorstandes zu entheben“. Zur Begründung heißt es, Aae habe angekündigt, als Auskunftsperson vor dem Bundesverfassungsgericht eine eigene, unautorisierte Stellungnahme abzugeben. Ein solches Verhalten würde aber die Prozeßstrategie der NPD in Frage stellen. Die Verteidigungslinie sei vom Parteivorstand in Absprache mit den Prozeßvertretern festgelegt worden, teilte NPD-Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdt mit.

Grund für die Amtsenhebung dürfte jedoch vor allem der Konflikt zwischen Aae und dem Rechtsanwalt der NPD, Horst Mahler, gewesen sein. In Briefen und E-Mails streuen beide den unterschwelligen Verdacht, der jeweils andere vertrete nicht nur die Interessen der Partei (JF 7/02). Aae, der seit 1978 NPD-Mitglied ist, stößt sich zudem an Äußerungen und Schriften Mahlers, die er für eine „gezielte Provokation“ hält, um die Partei „immer mehr ins politische Abseits zu drängen und - verbal - verbotsreif zu schießen“.

Unter Beschuß geraten ist Mahler auch von anderer Seite. Der Kölner Verleger und Publizist Manfred Rouhs hat beim Landgegricht Berlin Strafanzeige gegen Mahler wegen Parteiverrat erstattet. Darin bezichtigt Rouhs, der die rechte Zeitschrift Signal (früher: Europa vorn) herausgibt, den NPD-Anwalt der Spitzeltätigkeit für den Verfassungsschutz. Der Parteivorstand der NPD wies die Anschuldung inzwischen zurück und drohte Rouhs mit einer Verleumdungsklage.


 
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