© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/02 15. Februar 2002


Belanglose Entrüstungen
von Alexander Barti

Seit einigen Tagen schon berichten die großen Tageszeitungen in Deutschland von wachsenden amerikanisch-europäischen Spannungen. Man wolle den aggressiven Kurs der US-Außenpolitik nicht mehr kritiklos hinnehmen, schallt es nicht nur aus der EU-Hauptstadt Brüssel. Und: Bei einer Ausweitung der Anti-Terror-Kampfzone sei es vorbei mit der „uneingeschränkten Solidarität“.

Die kritischen Töne aus Europa klingen angenehm in den Ohren derjenigen, die dem American dream nicht hemmungslos ergeben sind. Leider sind sie aber nichts als Augenwischerei in Zeiten der Wahlkämpfe. In Paris streitet der Neogaullist Chirac gegen den Ex-Trotzkisten Jospin und den Republikaner Chevènement um den Präsidentenposten; in dieser Konstellation ist es nicht verwunderlich, daß Paris besonders selbstbewußt über den großen Teich kläfft.

Nicht anders verhält es sich mit der Berliner Provinz, wo jede Partei - wie immer vor Bundestagswahlen - die „nationale Karte“ spielen möchte. So „warnen“ denn alle möglichen Polit-Akteure die USA vor einem Angriff im Irak oder sonstwo und machen dabei ein besorgtes Gesicht. Und der Wähler ist ergriffen von so viel staatsmännischer Souveränität. Daß die europäischen Entrüstungen ziemlich belanglos sind, merkt man an den amerikanischen Reaktionen: Die Mahnungen verhallen in Washington wirkungslos. Sie wissen, daß der zerstrittene Haufen mit seinen maroden Heerscharen gar nicht anders kann, als im Ernstfall unter dem Sternenbanner in die Wüste zu marschieren.


 
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