© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/02 08. Februar 2002

 
Rettet den letzten deutschen Wal!
Tierschutz: Die internationale Fischereiindustrie bedroht den Kleinen Tümmler / Weltweit steigender Fischkonsum
Martina Kempf

Als vor zwei Wochen nach einer gescheiterten Rettungsaktion für 13 gestrandete Pottwale die Tierkadaver von den Behörden der japanischen Stadt Oura im Meer entsorgt wurden, berichtete dies selbst die deutsche Boulevardpresse. Dutzende Helfer hatten um das Leben der Wale gekämpft, nachdem diese am 22. Januar etwa 1.000 Kilometer südwestlich von Tokio an den Strand gespült worden waren. Nur ein einziger konnte gerettet werden.

Weniger bekannt ist hingegen ein kleiner Wal, der auch heute noch in unseren einheimischen Gewässern vorkommt: der Kleine Tümmler oder Schweinswal. Er sieht den Delphinen auffallend ähnlich. So gesellig wie diese begleitete er noch vor hundert Jahren in Gruppen die Schiffe in der Nordsee. Brehms Tierleben spricht sogar davon, daß er gelegentlich auch die Flüsse Elbe und Rhein hochwandere. Seine eigentliche Heimat ist der Nordatlantik. Der 1,5 bis 2,5 Meter lange Wal wird aufgrund seiner dicken Fettschicht sowie der kleinen Augen Schweinswal genannt. Neben dem Wärmeschutz wirkt sich diese Fetthaut günstig beim Abfangen der großen Druckunterschiede aus, denen die Wale beim Tauchen ausgesetzt sind. Die meisterhafte Schwimmkunst und sein „Umhertummeln“ haben dem Tier seinen Beinamen „Kleiner Tümmler“ gegeben. Die Lunge dieser Meeressäugetiere kann sehr viel Luft aufnehmen. Doch von den Stellnetzen der modernen Fischfang-Flotten geht für den kleinen deutschen Wal eine große Gefahr aus. Jede Stunde verfängt sich ein Schweinswal in den Stellnetzen und stirbt darin als sogenannter „Beifang“. So kommen Tausende Wale zu Tode. Allein die Stellnetze der dänischen Fischerei töten jedes Jahr 7.000 von ihnen.

Die Umweltstiftung WWF (World Wildlife Found) erreichte 1999 , daß vor Amrum und Sylt ein Walschutzgebiet eingerichtet wurde. Hier ziehen die Wale ihre Jungen auf. Allerdings genügt ein einziges Schutzgebiet nicht. Vor allem, wenn die Gefahren durch die Stellnetze fortbestehen.

Im März 2002 findet in Norwegen die Nordseeschutzkonferenz statt. Dort will der WWF seinen Rettungsplan zum Schutz des kleinen Wals den Politikern nahebringen. Er beinhaltet:

- Das Stoppen des Beifangs. Es dürfen ausschließlich solche Fischereimethoden erlaubt sein, die das Töten anderer Tierarten als des gewünschten Fisches vermeiden.

- Die Ausweisung weiterer Schongebiete. Diese müssen vor allem dort ausgewiesen werden, wo viele Schweinswale mitgefangen werden und wo sich ihre „Kinderstuben“ befinden.

- Das Reduzieren der Fischfangquoten bedeutet weniger Beifang und sichern ein ausreichendes Nahrungsangebot für die Schweinswale.

Bezüglich der Fischfangquoten ist zu bedenken, daß sich die weltweite Fangmenge seit den fünfziger Jahren fast verfünffacht hat. Während 1950 noch rund 20 Millionen Tonnen Wildfisch gefangen wurden, erhöhte sich die Menge im Jahre 1999 auf 92 Millionen Tonnen. Das blieb nicht ohne Folgen. Zehn Prozent der Fischbestände auf der Erde sind leergefischt. Weitere 15 Prozent werden massiv übernutzt. Dies ist das Ergebnis eines im Jahre 2001 erschienenen Berichtes der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Es wird darin des weiteren mitgeteilt, daß etwa die Hälfte aller Fischpopulationen bis an die Grenze des Bestandserhaltes befischt wird, nur 25 Prozent der weltweiten Fischbestände sind laut FAO noch nicht in ihrer Existenz gefährdet. In Zukunft dürften die Fangerträge zurückgehen. Schon jetzt werden zunehmend minderwertige Speisefische gefangen. Rund ein Drittel der Beute ist unerwünschter Beifang.

Doch die staatlichen Subventionen stacheln die Überfischung immer mehr an. Die Fischindustrie-Flotten werden von den Regierungen in aller Welt mit jährlich 47,3 Milliarden Euro subventioniert. Dabei haben die gefangenen Fische nur einen Marktwert von 33,8 Milliarden Euro. Einige wenige Nationen entleeren die Ozeane in Wildwest-Manier und vernichten die Lebensgrundlage einheimischer Fischer. Nachdem die Fangflotten der Europäischen Union die meisten Fischbestände in den europäischen Gewässern überfischt haben, kreuzen sie inzwischen vor der westafrikanischen Küste. Nun gehen auch dort die Bestände drastisch zurück, und die dortigen Fischer müssen in tiefere Gewässer ausweichen, wo sie nur unter Lebensgefahr ihrer Arbeit nachgehen können.

Angesichts dieser Überforderung der Meere durch unseren Fischfang erscheint es als zynisch, wenn die Deutsche Gesellschaft für Ernährung den Fischkonsum offenbar immer noch steigern will, indem sie empfiehlt, zwei Mal in der Woche Fisch zu essen. Wir verbrauchen ja jetzt schon viel zuviel davon. Die erforderliche Senkung der Fangquoten kann nur bedeuten, daß wir unseren Fischkonsum reduzieren. Es sei daran erinnert, daß es noch in den fünfziger Jahren nicht ungewöhnlich war, nur einmal im Monat Fisch zu essen. Der heutige hohe Verbrauch von Fleisch und Fisch führt aber zu Überernährung und den damit verbundenen ernährungsbedingten Krankheiten. So wird allgemein zu viel Protein gegessen, insbesondere zuviel tierisches Eiweiß. Daß wir durch unseren Überkonsum das Leben vernichten, wird der Allgemeinheit verschwiegen oder von ihr verdrängt. Erst im Winter 1999/2000 verhungerten im Wattenmeer 20.000 Eiderenten. Sie konnten nicht genug Muscheln finden, weil sie weggefischt worden waren. Es wird Zeit, wieder daran zu denken, daß wir den Garten Eden nicht nur bebauen, sondern auch bewahren sollen.

 

Im Vorfeld der Nordseeschutzkonferenz im März 2002 kann jeder Bürger auf den Umweltminister Jürgen Trittin Einfluß nehmen und ein Schreiben mit folgendem Inhalt an den WWF zur Weiterleitung senden:

„Sehr geehrter Herr Minister Trittin, machen Sie den Schutz der Nordseewale zum Top-Thema der Nordseeschutzkonferenz! Beschließen Sie dort mit Ihren Ministerkollegen aus den anderen Nordseeländern den Rettungsplan zum sofortigen Schutz der Nordseewale! Nehmen Sie mit Ihren Umweltministerkollegen Einfluß - kämpfen Sie für eine schonende Fischereipolitik, die unsere Meeresumwelt schützt!“

Dieses Anschreiben senden: WWF Deutschland, „Rettet die Nordseewale“, Rebstöcker Straße 55, 60326 Frankfurt. Dort können zusätzliche Unterschriftenlisten angefordert werden.

Telefon 069 / 79144-142, Fax 069 / 794144-112. Internetadresse: www.wwf.de . Spendenkonto-Nr. 728 400 313. Commerzbank BLZ 500 400 00


 
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